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Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)

Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)

Titel: Zurück ins Licht (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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eines Tages in seine Fußstapfen treten. Ein schöner Traum, der wie eine Seifenblase zerplatzt war, als sie den Jungen nach Hause geholt hatten. Unheilbar krank. Seelisch und körperlich zerstört. Ohne jede Hoffnung auf eine Zukunft.
    Bereits zwei Jahre zuvor hatte sich Schwester Erika zur Ruhe gesetzt. Es war ihm nicht leichtgefallen zuzugeben, wie sehr er sie für den Mut zu diesem Schritt bewunderte. Nein, nicht allein für ihren Mut. Er hatte sie schon immer gemocht und – jawohl! – bewundert. Für all ihre menschlichen Qualitäten, die fachlichen sowieso. Was sie beide damals, vor dreißig Jahren, für Angel getan hatten, um ihn zu schützen, hatte sie fester zusammengeschweißt als leibliche Eltern eines Kindes.
    Ob sie wohl ebenso dachte? Sich daran erinnerte? An ihn?
    Das Rentnerleben schien ihr zu bekommen, wie er zerknirscht feststellen musste. Wesentlich besser, als er ihr mit einer Mischung aus Verärgerung und Enttäuschung prophezeit hatte. Am liebsten hätte er sie zum Bleiben überredet, wenigstens so lange, bis seine Nachfolge gesichert war. Doch wie hätte das ausgesehen? Erika hatte ihm vor dreißig Jahren eine dermaßen deutliche Abfuhr erteilt, dass er noch heute rote Ohren bekam, wenn er sich ihre Worte ins Gedächtnis zurückrief.
    Verliebter, alter Go ckel! Er vermisste sie. Seine herzensgute, treue Erika. Und er wünschte sich, die Zeit zurückdrehen zu können und ihr noch einmal, dieses Mal mit der Hartnäckigkeit eines Angel Stojanow, den Hof zu machen, bis sie seinen Antrag annahm.
    Inzwischen ließ sie sich bloß noch selten in der Klinik blicken. Es war also offenbar gar nicht so schwer aufzuhören und etwas Neues zu beginnen. Vielleicht sollte er sie demnächst auf einen Kaffee einladen.
    Z unächst jedoch musste er sich mit einem anderen Problem befassen. In den zittrigen Händen hielt er die Krankenakte von Angel, seinem Sorgenkind von damals und heute. Als er jetzt den Kopf hob, begegnete sein Blick dem ernsten Gesicht von Doktor Iwanow. Der stand seit zehn Minuten reglos vor dem wuchtigen Schreibtisch des Chefarztes und wartete auf eine Antwort.
    „Ich möchte dir, weiß Gott, gerne etwas ander es sagen. Aber warum sollten wir uns belügen?“ Er ließ die Akte auf den Tisch fallen, ärgerlich, wie es Danilo schien. Resigniert und gleichzeitig voll Wut. „Es ist zum Verrücktwerden! Wir können nichts anderes tun als tatenlos zusehen, wie er verfällt. Dabei haben wir keine Zeit zum Abwarten! Wenn wir nicht bald ein Spenderorgan bekommen, hat Angel kaum mehr eine Chance.“
    Er hielt einen Moment inne, räusperte sich und korrigierte leise seinen letzten Satz: „Er hat keine Chance, Danilo. Nicht die geringste. Und ob er eine Transplantation verkraftet, ist genauso fraglich. Sein Körper ist zu sehr geschwächt und von der künstlichen Ernährung wird er nicht kräftiger. Es ist nur eine Frage der Zeit …“
    „ Isst er denn gar nichts?“
    „ Natürlich versuchen die Schwestern, ihn zum Essen zu bewegen, meist allerdings weigert er sich. Es ist, als würde man mit einem Geist reden. Er sieht dich an, als würde er sich fragen, warum wir uns um ihn kümmern, manchmal reagiert er sogar – aber eigentlich ist er gar nicht da. Es gibt erste Anzeichen für eine Anämie. Nichts scheint zu helfen. Sein Körper muss die Schlacht aus eigener Kraft gewinnen. Doch wie es aussieht, ist er nicht bereit, diesen Kampf aufzunehmen. Im Gegenteil, Angel setzt seinen Willen offenbar dazu ein, seinen Körper am Gesundwerden zu hindern. Wir können lediglich abwarten und beobachten, was geschieht.“
    Danilos Herz begann zu rasen. Er wusste nicht mehr, wie man wartete. Er hatte drei Jahre gewartet und wie es schien, war in dieser Zeit sämtliche Geduld aufgebraucht. Und deswegen konnte er nicht seelenruhig hier sitzen, zusehen, wie das Leben aus seinem Freund wich, und nichts dagegen unternehmen!
    Obwohl er sich mit geradezu übermenschlicher Kraft zu beherrschen versuchte, platzte es spontan aus ihm heraus: „Sie wollen ihn aufgeben? Professor, das dürfen Sie nicht! Er wird seinen Lebenswillen wiederfinden, ganz bestimmt, wenn Sie Karo endlich einen Besuch bei ihm erlauben.“
    „Damit er sieht, was er verloren hat? “, schoss der Professor zurück, hochrot im Gesicht. „Was für einen Grund gäbe es dann noch für ihn weiterzumachen?“
    „ Er weiß doch längst, was er verloren hat. Dass Karo mit mir verheiratet ist und wir ein Kind erwarten. Wir müssen es versuchen! Lassen Sie

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