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Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)

Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)

Titel: Zurück ins Licht (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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vor allen äußeren Einflüssen abschirmen sollte? Er brauchte ihn hier nicht, das hatte er inzwischen eingesehen. Warum warf er den Schild nicht ab, den er um sein Herz gebaut hatte? Er wollte nicht dieses Ekel sein, das sich selbst verabscheute. Und am allerwenigsten wollte er den Schwestern wehtun, die sich ungeachtet seiner Demütigungen die größte Mühe gaben, freundlich und nett zu bleiben. Aus dem einstigen Schwarm der weiblichen Klinikangestellten war er mit seinen unbeherrschten Gefühlsausbrüchen zum Schrecken aller geworden.
    Aber besser den Hass des K linikpersonals auf sich ziehen, als ihr Mitleid!
    M it dieser irrsinnigen Einstellung hatte er nicht einmal vor Oberschwester Erika, die sich zeit ihres Lebens für ihn aufgeopfert hatte, Halt gemacht. Er hatte sie angebrüllt, vor anderen lächerlich gemacht und sie zu guter Letzt aus seinem Zimmer gewiesen. Seit Wochen hatte er nichts von ihr gehört. Nichts hören wollen, berichtigte er sich, denn er wusste, dass sie später noch einige Male versucht hatte, das Gespräch mit ihm zu suchen.
    Der Gedanke daran krampfte Angels Eingeweide schmerzhaft zusammen. Soweit hätte er nie gehen dürfen! Er hätte sich gerne bei Erika entschuldigt, aber er hatte Angst, keine freundlichen Worte zu finden. Die waren ihm in den vergangenen Jahren zu einer Fremdsprache geworden. Seine Freunde hatten ihn aus seinem Gefängnis geholt, doch es würde ihnen nicht gelingen, ebenfalls das Gefängnis und die Erinnerung an drei gestohlene Jahre, an Demütigung und Folter aus ihm zu holen. Die Zeit hatte ihn bis zur Unkenntlichkeit verändert und deswegen würde er niemanden mehr an sich herankommen lassen.
    Er erschrak heftig, als sich eine warme, weiche Hand auf seine legte. Seit er blind war, hatte sich das Wahrnehmungsvermögen seiner verbliebenen Sinne geschärft, nur diesmal hatte er niemanden kommen hören. Instinktiv zog er seine zitternde Hand zurück.
    „Bist du mein Papa?“
    Ihm stockte der Atem. „W-wer ist da?“, fragte er schließlich mit brüchiger Stimme.
    „Ich bin ’s, der Nic.“
    „Nic?“
    „Aber eigentlich heiße ich Nicolas Seiler.“
    Das Herz schlug Angel bis zu m Hals, als er den Namen hörte. „Nicolas … Seiler?“
    Sein Sohn!
    „ Mmh-mmh.“
    „Wie bist du hierhergekommen? Bist du alleine?“
    „ Nein, mit Eri. Die ist da draußen und unterhält sich mit einem alten Mann.“
    Angel spürte den Windzug, als sich das Kind umdrehte und wahrscheinlich mit ausgestrec kter Hand auf den Gang deutete. Natürlich, seine Erika! Nie hatte jemand leichter Zugang zu ihm gefunden. Sie wusste genau, an welcher Stelle seine Abwehr am schwächsten war, um zu ihm vorzudringen. Auf sein Gesicht stahl sich ein dankbares Lächeln. Wie sollte er das jemals wiedergutmachen?
    „Ich kann dich nicht sehen, Nicolas“, entschuldigte er sich verlegen.
    „Ach, das weiß ich schon. Aber du siehst doch mit deinen Händen.“
    Für einen Moment verschlug es ihm die Sprache, mit welcher Selbstverständlichkeit dieses Kind seine Blindheit akzeptierte.
    „Na los, du musst mich anfassen und dann weißt du gleich, wie ich aussehe“, forderte ihn der Junge unbekümmert auf.
    „Ach ja? Und wer hat dir so etwas …“ Angel verschluckte eilig das Wort, das er in Gegenwart eines Kindes besser nicht benutzen sollte, und fing noch einmal an: „Wer hat dir das erzählt?“
    „Dani. Und Erika auch.“
    „Nicolas, ich … ich weiß nicht, ob ich das kann.“
    Zu fremd war ihm der Umgang mit einem Kind. Plötzlich hatte er Angst vor dieser Begegnung, auf die er seit mehr als drei Jahren gewartet, für die er eine gefühlte Ewigkeit in der Hölle überlebt hatte. Darauf war er nicht vorbereitet. Wie auch? Die Wahrheit war, dass er sich darauf nicht hatte vorbereiten wollen. Er wollte in diesem jämmerlichen Zustand weder Karo noch seinen Söhnen gegenübertreten. Er wollte am liebsten niemanden mehr sehen!
    Ha , von wegen sehen! Passte diese Vorstellung nicht wie die Faust aufs Auge? Das musste er nämlich nicht. Du solltest dich mit deinen Wünschen nie zu weit aus dem Fenster lehnen, alter Knabe! Das hatten sie sich, weiß Gott, schön ausgedacht! Offensichtlich zählte seine Meinung gar nichts mehr. Da stellten sie also ganz einfach seinen Sohn vor sein Bett und ihn selber vor vollendete Tatsachen. Und nun sieh zu, wie du mit dieser Situation fertig wirst.
    I n einem Anflug von Trotz straffte er die Schultern. Er würde es ihnen beweisen! Sie sollten sich wundern, wie er

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