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Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)

Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)

Titel: Zurück ins Licht (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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kreisend fuhr sein Daumen über ihre Handfläche. Er hörte Karo wohlig schnurren. „Du wolltest mich etwas fragen?“, murmelte er dicht an ihrem Ohr und ließ seine Lippen über ihre Wange gleiten.
    „Manchmal ist mein Mund einfach schneller als mein Hirn, was mich unentwegt in echte Schwierigkeiten bringt.“
    „Ich werde dir keine Schwierigkeiten bereiten.“
    „Es ist mir peinlich. Ich weiß nicht, ob ein Mann hören mag …“
    … dass ich ihn begehre und er mich wahnsinnig macht, dass er meine Nerven zum Klingen bringt. Ob er hören will, dass der Sex mit ihm einzigartig ist?
    „Was?“
    „Du hast nicht bloß faszinierende Augen, sondern einen wunderschönen Körper“, rückte sie stückweise mit der Wahrheit heraus. „Nimmst du mich das nächste Mal mit, wenn du trainieren gehst? So ein, zwei Runden im Fitness-Raum oder in der Schwimmhalle würden sicher auch mir nicht schaden.“
    Jetzt waren es ihre Finger, die über seine sehnigen Arme streichelten, zu den breiten Schultern wanderten und auf seinem flachen Bauch liegen blieben, auf dem sich die Muskeln auch im entspannten Zustand hart abzeichneten.
    Er hatte die Augen geschlossen. Karos Worte hallten in ihm nach. Aber was er tatsächlich zu hören glaubte, war nicht ihre friedliche, ruhige Stimme, sondern etwas vollkommen anderes. Etwas zutiefst Verstörendes. Ein kehliger Schrei durchbrach den stillen Ozean seiner Gedanken, wurde lauter und lauter, bis er ihm wie ein Lanzenstoß von beiden Schläfen aus in sein Hirn fuhr.
    Wie von einem kurzen Blitz erhellt, tauchte vor ihm das Bild eines jungen Mannes auf, der umringt von gesichtslosen Gestalten in Tarnanzügen am Boden lag. Als befürchtete er, Karo könnte diese Bilder in seinen Augen sehen, presste er die Lider fester zusammen. Die Narben auf seiner Brust und seinem Rücken fingen an zu brennen, durchbohrten ihn mit der Erinnerung an vergangene Schmerzen.
    Bloß noch von fern drangen Karos Worte an sein Ohr: „Woher hast du diese vielen anderen Narben? Die sehen ziemlich Furcht erregend aus. Scheinst in deiner Jugend ein wilder Typ gewesen zu sein.“
    Ein Blitz, länger und gleißender als zuvor, ließ ihn zusammenzucken und seinen Puls rasen. Eisige Kälte breitete sich in ihm aus. Seine Wirbelsäule bog sich wie die eines Turners, seine Hände ballten sich an den Seiten. Während sein Körper wie auf eine physische Bedrohung reagierte, wurde sein Verstand vollkommen still und reglos. Der Schweiß brach ihm aus allen Poren und ein Bild nahm vor seinen Augen Gestalt an.
    Sie hatten den Jungen zwischen zwei Eisenpfosten festgebunden. Das Hemd hing ihm in Fetzen am blutüberströmten Oberkörper, sein Kopf war vornüber auf die Brust gesackt. Angel konnte das Gesicht nicht erkennen. Sein Atem wurde unregelmäßig und schwer.
    Das Gesicht! Warum kann ich es nicht sehen? Wenn er den Kopf nur ein Stück höher heben würde …
    Karo spürte, wie sich sein Körper verkrampfte. „Entschuldige, es ist wahrscheinlich gedankenlos so etwas zu fragen. Angel?“
    Sie hob den Kopf und blickte ihm ins Gesicht. Im gleichen Moment schrie sie entsetzt auf: „Oh nein, Angel, nicht! Was tust du? Bleib hier! Atme!“
    Der rationale Teil seines Gehirns wehrte sich mit aller Kraft dagegen, den Bezug zur Realität zu verlieren, wollte seinen aufgewühlt en Nerven mitteilen, dass dies lediglich eine Halluzination war, aber die Eindrücke, die über ihn herfielen, waren zu stark. Ein schwarzes Loch tat sich ohne Vorwarnung über ihm auf und drohte, ihn in seine giftigen, übelriechenden Tiefen zu saugen.
    Der nächste Blitz zerriss sein Innerstes und streute grelles Licht in einen Operationssaal. Er konnte nichts spüren und doch wusste er, dass er starb. Er schaute hinab auf den reglosen, zerschlagenen Körper des Jungen. Unzählige Hände arbeiteten an ihm, drückten Verbandszeug auf klaffende Wunden, fluchende und schreiende Ärzte und Schwestern eilten wie aufgescheuchte Hühner durch den Raum. Er hörte das Klappern der stählernen Instrumente und das angestrengte Zischen und Entspannen des Beatmungsgerätes. Überall war Blut, sein Blut, an den grünen Kitteln und den Handschuhen der Ärzte, auf den Fliesen des Bodens. Bis an die Wand war es gespritzt, wo es in rostroten Streifen langsam nach unten lief.
    Mühelos glitt er aus seinem Körper und beobachtete erstaunt und trotzdem irgendwie unbeteiligt aus sicherer Distanz, wie das Operationsteam um sein Leben kämpfte. Er wollte ihnen gerade sagen, sie

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