Zurück nach Hollyhill: Roman (German Edition)
deine Mutter wusste, dass er Arzt war, weil …«
»… weil sie sich an einem Ort getroffen haben, an dem sein Beruf von Bedeutung war«, vervollständigte Emily den Satz.
»Ein Krankenhaus?«, tippte Matt.
Emily knabberte an ihrer Unterlippe. »Ich weiß nicht«, antwortete sie zögernd, »könnte sein. Meine Großmutter meinte, es sei eine Geschäftsreise gewesen. Vielleicht haben sie sich hier in einer Klinik getroffen.«
»Oder bei einer Veranstaltung.« Matt lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf die Zeitung und blätterte zügig durch die Seiten. »Ein Ärztetreffen?« Seine Augen blieben an einer Stelle hängen, und Emily reckte den Kopf, um über den Rand des Papiers mitzulesen. Matt drehte sich ein Stück zu ihr und fuhr mit dem Zeigefinger die Zeilen des Veranstaltungskalenders nach.
Dann riefen beide gleichzeitig: »Ein Kongress!«
Matt sah Emily an, seine Augen blitzten. »Ein Chirurgenkongress in Exeter, am 29. Juli.«
Emily deutete auf das Datum in der oberen Zeile. »Heute ist der achtundzwanzigste.«
»Morgen also.« Matt klappte die Zeitung zusammen und pfiff durch die Zähne. »Das lässt uns nicht viel Zeit.«
»Wo genau ist der Kongress denn?« Emily griff nach dem Papier, nur um es gleich darauf mit einem entsetzten Schrei wieder loszulassen.
»Oh, mein Gott!«, kreischte sie mit unterdrückter Stimme.
»Himmel, was ist jetzt wieder?«, schimpfte Matt, während er die Zeitung auf ihrem Weg Richtung Fußboden auffing. Emily antwortete nicht, sondern starrte aus dem Fenster, beide Hände vor ihren Mund gepresst. Matt folgte ihrem Blick und sog dann scharf die Luft ein.
Vor dem Souvenir-Shop auf der anderen Straßenseite stand ein Mann und zündete sich eine Zigarette an. Eine Papiertüte klemmte umständlich unter seinem Arm, und offensichtlich bereitete es ihm Schwierigkeiten, die Flamme des Feuerzeugs gegen den Wind zu schützen. Die Hosenbeine seines edlen Anzugs flatterten und seine schwarzen Haare flogen.
Der Mann war jung, Mitte zwanzig vielleicht, aber er war eindeutig, unübersehbar, unverwechselbar Quayle. Im selben Moment, in dem die Spitze seiner Zigarette endlich Feuer fing und aufglomm, in dem Moment, in dem Quayle seinen Blick hob und Emily in seine pechschwarzen Augen sehen konnte, sprangen sie und Matt zeitgleich auf und rannten zur Tür.
»Ey!«, brüllte der Wirt hinter ihnen her, »was ist mit eurer Rechnung?«
»Wir kommen gleich wieder«, rief Matt zurück, und dann waren sie draußen, auf der Veranda, und da war Quayle, und er kam direkt auf sie zu.
»Oh, verdammt«, entfuhr es Emily, dann drehte sie sich wie ein Wirbel und flog in Matts Arme.
Er hatte sie am Handgelenk gepackt und zu sich gezogen, nun vergrub er eine Hand in ihrem Nacken und sein Gesicht in ihren Haaren.
Emily hielt die Luft an.
»Tu so, als ob er dich gar nicht interessiert«, flüsterte Matt in ihr Ohr, so leise, dass sie es kaum verstand. »Es ist besser, wenn wir ihn nicht auf uns aufmerksam machen.«
Emily nickte unmerklich. Dort, wo Matt sie berührte, begann ihre Haut zu prickeln. Sie konnte gar nichts mehr denken. Sie bildete sich ein, Matts Finger strichen sanft über ihren Hals, so wie man es automatisch tut bei einer Katze oder einem kleinen Hund, aber das war sicher nicht mehr als das – eine Einbildung.
Quayle. Emily bemühte sich, einen klaren Gedanken zu fassen.
»Hat er uns erkannt?« Sie drehte ganz leicht den Kopf und murmelte in die Richtung, in der sie Matts Ohr vermutete.
»Kann er doch nicht«, wisperte er zurück. »Er kennt uns ja noch gar nicht.«
Klar, dachte Emily, wie dumm.
Dummdummdumm.
Einige Sekunden lang schwiegen beide, dann neigte Matt ihre Körper vorsichtig ein Stück nach rechts. Wie bei einem langsamen Tanz lehnte Emilys Schulter in seiner Handfläche, und sie konnte gar nicht anders, sie seufzte.
»Gleich vorbei«, raunte Matt ihr zu, »er steigt in einen Wagen.«
Emily schloss die Augen und nickte wieder, dann sprang ein Motor an und der Zauber war vorbei.
»Wir müssen ihm folgen«, sagte Matt, während er seine Hände sinken ließ und Emily sich aus seiner Umarmung wand. Es kam ihr vor, als habe sie Stunden nicht geatmet, und sie lechzte nach Sauerstoff. Außerdem schwankte sie ein wenig.
Matt räusperte sich. Bei näherem Betrachten sah auch er nicht völlig entspannt aus, fand Emily. Seine Wangen waren ein wenig gerötet und in seinen Augen …
» Shit! Die Rechnung!« Er drehte sich auf dem Absatz um und stürmte ins Pub zurück,
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