Zurückgeküsst (German Edition)
eine staubige Postkarte aus dem Bärental oder Steppenland ankäme.
Der Himmel schien mich wie eine riesige Decke zu umhüllen, weich und tröstend und unsäglich schön. Irgendwo – hoffentlich weit, weit weg – heulte ein Wolf. Der Wind rauschte durch das hohe Gras, und die Nacht schien vor Glück zu seufzen.
Dennis würde jetzt schon fest schlafen, da er meist binnen weniger Sekunden ins Koma fiel, sobald er sich in der Horizontalen befand. Willa und Christopher lagen sicher eng umschlungen und himmelten sich gegenseitig an. BeverLee und Dad … darüber dachte ich am besten gar nicht nach.
Nick … über ihn wollte ich mir an diesem Abend schon gar nicht den Kopf zerbrechen.
Und was tat meine Mutter in dieser Nacht? Ich fragte mich, ob sie es wohl spürte, wenn ich an sie dachte, ob es da irgend so einen Urinstinkt gab, der es im Herzen oder im Kopf oder sonst wo kribbeln ließ.
Vermutlich nicht. Immerhin hatte sie mich an dem Tag verlassen, als ich dreizehn geworden war, und seitdem hatte ich nichts mehr von ihr gehört. Tot war sie nicht, das wusste ich. Tatsächlich war ich ihr in diesem Moment – auch wenn uns immer noch gut tausendfünfhundert Kilometer trennten – näher, als ich es seit ihrem Verschwinden je gewesen war.
Was auch immer mir das brachte. Aber unter diesem samtenen Himmelsgewölbe, mit wundem Herzen, weil ich Nick gesehen hatte, war es schwer, mich nicht nach meiner Mutter zu sehnen.
7. KAPITEL
D er nächste Tag – Freitag – begann mit einem Frauenfrühstück. Die Männer waren unterwegs zum Fliegenfischen, worüber Theo sich bestimmt gefreut hätte. Ich gebe zu, dass ich es genoss, mich nicht mit Nick auseinandersetzen zu müssen. Bevor ich den Schorf von den Narben alter Beziehungen abkratzte, trank ich gern erst mal einen starken Kaffee.
Nach dem Frühstück gingen BeverLee, Willa und ich nach oben in Willas kleine Suite, damit sie das Brautkleid anprobieren konnte, das offensichtlich in aller Eile gekauft worden war. Trotz all meiner Vorbehalte hatte ich beim Anblick meiner Schwester in ihrem prinzessinnenhaft bauschigen Kleid einen Kloß im Hals. Unsere Blicke trafen sich im Spiegel. „Ich weiß einfach, dass es diesmal funktionieren wird“, sagte sie.
„Natürlich wird es funktionieren! Aber sicher! Aller guten Dinge sind drei, denk nur an deine Mutter, nicht wahr, Schätzchen? Das stimmt doch, oder? Jimmy und ich könnten nicht glücklicher sein!“ BeverLee warf mir einen nervösen Blick zu, dann wandte sie sich wieder an ihre Tochter. „Hach, du siehst so wunderschön aus! Ich liebe Hochzeiten!“ Emsig holte sie ein Päckchen Stecknadeln aus einer Tüte, kniete sich neben Willa und fing an, den Kleidersaum hochzustecken. Das Kleid war ein Stück zu lang, aber BeverLee konnte schon immer gut nähen, also war es kein Problem.
„Abgesehen vom Offensichtlichen, Willa“, begann ich vorsichtig, „äh … was genau liebst du an Christopher besonders?“
„Ach Harper, er ist einfach wunderbar!“
„Gut, aber vielleicht gibt es noch etwas … Greifbareres?“
„An ‚traumhaft‘ ist doch nichts verkehrt, Harper“, warf BeverLee ein. „Dein Dennis ist doch auch die reinste Augenweide.“ Sie hielt inne. „Ganz zu schweigen von unserem guten alten Nick.“
Ich unterdrückte ein Stöhnen. „Richtig. Aber wir kennen Chris so gut wie gar nicht. Ich will doch nur wissen, wie erüberhaupt so ist, was er macht …“
Willa sah mich im Spiegel an. „Er ist wirklich klug. Und so kreativ! Hast du von seinem ‚Thumbie‘ gehört?“
„Ich werde meinen ganz sicher ständig benutzen“, nuschelte BeverLee undeutlich, da sie den Mund voller Stecknadeln hatte. „Ich werde ein ganzes Paket davon kaufen. Willard, halt still, Schätzchen, ich muss hier weiter feststecken.“
„Und was noch?“, hakte ich freundlich nach. „War er schon mal verheiratet?“
„Nein. Noch nie.“
„Weiß er von deinen … äh … vorherigen Versuchen mit dem Eheleben?“
„Natürlich! Ich glaube, das hatten wir in der ersten Stunde schon abgehakt.“
„Arbeitet er tüchtig?“
„Ganz bestimmt. Aber weißt du, der Großteil seiner Arbeit spielt sich hier ab.“ Willa tippte sich an die Schläfe. Na, super.
„Hat er auch einen Job, für den er bezahlt wird?“, fragte ich vorsichtig. „Du weißt, dass finanzielle Unstimmigkeiten der Hauptgrund für …“
„Harper! Liebes! Du kannst es einfach nicht lassen, wie?“, rief BeverLee und warf mir einen scharfen Blick zu.
Weitere Kostenlose Bücher