Zurückgeküsst (German Edition)
wenn er kurz vor dem Ableben stand, so stand Bob wenigstens still, und er war sehr groß. Und breit. Und irgendwie krumm. Nach vier oder fünf Versuchen schaffte ich es schließlich, an Bob hinaufzukriechen und mein rechtes Bein über seinen Rücken zu hieven. Mittlerweile hing Bobs Kopf fast auf dem Boden, da er offenbar schlief. Ich zog behutsam an den Zügeln, was jedoch keinerlei Wirkung zeigte.
„Bob? Zeit aufzubrechen, mein Großer!“, sagte ich. „Okay, Leute, ich bin Brianna und für heute Ihr Tourguide, willkommen im Glacier-Nationalpark und danke, dass Sie Highland Stables gewählt haben“, rief Brianna in wohlgeübter Monotonie. „Für diejenigen unter Ihnen, die noch nie geritten sind …“ Sie warf mir einen scharfen Blick zu, während ich immer noch versuchte, mein tumbes Ross zu wecken. „… um das Pferd anzutreiben, müssen Sie ihm einfach fest in die Flanken treten, es wird das Tier nicht verletzen. Und um es zum Halten zu bringen, ziehen Sie gefühlvoll, aber bestimmt an den Zügeln. Um nach links zu gehen, ziehen Sie am linken Zügel, für rechts am rechten.“ Sie seufzte schwer. „So, wenn alle bereit sind, können wir starten, die Pferde kennen den Weg, lehnen Sie sich also entspannt zurück, und genießen Sie die herrliche Natur. Bleiben Sie in einer Reihe, und wenn Sie einen Grizzly sehen, bitte keine Panik.“
„Das klingt ja nicht sehr beruhigend“, teilte ich Dennis’ Rücken mit. „Fressen Bären Pferde?“
„Ach, die halten wahrscheinlich sowieso Winterschlaf. Keine Sorge, Süße. Ich beschütze dich.“ Mein Freund drehte sich um und warf mir einen selbstbewussten Blick zu.
Ich lächelte zaghaft zurück. „Danke, Den.“ Was für ein netter Kerl! Und vielleicht funktionierte es ja, dass ich ihn nicht ranließ. In der vergangenen Nacht hatte ich ihn häufig stöhnen und sich herumwälzen gehört – vielleicht überlegte er sich das mit dem Heiraten ja tatsächlich noch! Man sollte die Macht des Sex – oder in diesem Fall des fehlenden Sex – nicht unterschätzen.
Als die anderen Pferde die Koppel verließen, bewegte Bob sich schlaftrunken und behäbig vorwärts. Unnötig zu erwähnen, dass ich die Letzte in der Reihe war. Der Pfad führte in den Wald. Auf der einen Seite glitzerte der Lake McDonald im Sonnenschein, auf der anderen Seite lagen riesige Felsbrocken zwischen Kiefern und Espen, die den Hang hinauf wuchsen. Immer wieder schimmerten Flecken von Sonne auf. Der Pfad war breit und mit Kiefernnadeln bedeckt, das Leder meines Sattels quietschte, und ich hörte die anderen vor mir sprechenund lachen. Die Luft war wunderbar klar. Obwohl erst Mitte September, war es angenehm kühl – jemand hatte erzählt, dass für später in der Woche bereits Schnee angesagt war. Über den Bergen, die hinter dem fernen Ufer des Sees lagen, zogen ein paar Wolken dahin, und im Wald zwitscherten die Vögel.
Ich wurde jäh aus meinen Träumen gerissen, als Bob auf einen Baum zusteuerte und anfing, dessen Blätter zu fressen. „Komm schon, Bob“, sagte ich und zog an den Zügeln, wobei ich versuchte, ihn nicht zu verletzen. „Lass uns weitergehen, Kumpel. Keine Futterpause.“ Bob, der vermutlich taub war, ignorierte mich. Die anderen Pferde zogen unterdessen weiter. „Bob, komm schon! Sei brav!“ Ich zog noch einmal am Zügel, jedoch ohne Erfolg.
In diesem Moment kam Brianna von vorn nach hinten geritten. Gott sei Dank! Oder auch nicht … Sie reihte sich ein Stück weiter vorn an Dennis’ Seite ein.
„Brianna!“, rief ich. „Bob hier versucht andauernd …“
„Sind Sie vorher irgendwie schon mal geritten oder so?“, erkundigte Brianna sich bei Dennis. „Sie sind ja ein Naturtalent.“
„Danke“, erwiderte Dennis und lächelte sein Retterlächeln. „Aber nein, das ist das erste Mal für mich. Ich bin übrigens Dennis und Feuerwehrmann.“
„Nein! “, seufzte sie ergriffen und strahlte ihn an.
„Brianna? Bob frisst hier dauernd Blätter!“, rief ich erneut, während mein Pferd sich wieder ein Maul voll vom Baum riss und mir dabei fast die Schultern auskugelte.
„Haben Sie schon mal jemandem das Leben gerettet oder so?“, wollte Brianna wissen.
„Na klar. Das gehört einfach zum Job dazu“, sagte Dennis. „Das muss ja richtig klasse sein, hier draußen zu leben. Mannomann.“
„Ja, es ist toll“, antwortete sie. Zumindest hörte es sich für mich so an, denn die beiden waren inzwischen schon recht weit entfernt und ihre Stimmen kaum mehr zu
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