Zurückgeküsst (German Edition)
lief geradewegs in den dritten Stock – dank meines Fahrradtrainings war ich gut in Form. Nein, das heftige Klopfen meines Herzens hatte andere Ursachen.
Im Zimmer war es erfreulich still. Coco lag um ihren Plüschhasen gerollt, wedelte zur Begrüßung zweimal mit dem Schwanz, hielt die Augen jedoch weiterhin geschlossen. Ich ging zum Fenster, zog den Vorhang zurück und starrte auf die endlose Wildnis. Dabei bemerkte ich, dass mir die Hände zitterten.
„Harper.“
Nick stand an der Tür. „Nick“, hauchte ich.
Eine Sekunde lang sah ich ihn nur an – das leicht zerzauste, fast schwarze Haar, diese traurigen Augen, und es schien einfachnicht möglich, dass so viele Jahre vergangen waren, dass ich ihn nicht wegen seines ersten grauen Haares aufgezogen hatte, dass wir nicht jeden Tag miteinander gesprochen hatten, dass ich so lange Zeit ohne ihn gewesen war, dem letzten Mann auf der Welt, von dem ich gedacht hätte, dass er mich gehen ließe.
Dann kam er auf mich zu, schnell, entschlossen, voller Energie, und ohne weitere Worte oder Gedanken lagen wir uns in den Armen, umschlangen einander und küssten uns, und … Oh Gott, der elektrisierende Impuls hob mich fast vom Boden, als würde ich gleichzeitig schweben und mit ihm verschmelzen. Er war vertraut und fremd zugleich, schmaler als früher und härter, aber sein Mund, seine wunderbaren Lippen waren noch genauso weich und heiß und hungrig, und es war unsagbar schön, ihn zu spüren. Es war gut und richtig, mit Nick zusammen zu sein, ihn zu küssen, ihn zu … zu … zu besitzen, denn seien wir ehrlich: Wir gehörten einfach zusammen.
Er hielt mich so fest an sich gepresst, dass es wehtat, und … oh Gott, was hatte ich ihn vermisst, hatte das hier vermisst. Warum, warum nur hatten wir zugelassen, dass es endete? Ich stand mit dem Rücken zur Wand, und Nick bewegte sich und legte eine Hand auf meine Brust, aber wir hörten nicht auf, uns zu küssen, heiß und hart und voller Hingabe. Er fühlte sich so gut an, so hatte sich niemand sonst angefühlt, als wären wir zwei Felsstücke, die der Blitz getrennt hatte und die nun wieder miteinander verschmolzen. Nick küsste mich, als stünde das Ende der Welt bevor, ich spürte seine Zunge auf meiner, und fast gaben mir die Knie nach. Nichts hatte mehr Bedeutung, nur wir zwei, die wir wieder zusammen waren. Sonst nichts. Ich zog ihm das Hemd aus der Hose und streichelte seinen Brustkorb, spürte die warme, feste Haut, suchte mit den Fingerspitzen nach der kleinen Narbe über seinem Herzen, und er stöhnte laut auf. Ich empfand Lust und Macht, weil ich merkte, dass er ein wenig zitterte.
Sekunden später ließ er von mir ab und lehnte sich ein wenig zurück. Sein Gesicht war gerötet, seine Augen leuchteten, sein Haar war zerzaust, und dann grinste er, und ich dachte, mirwürde das Herz bei dem Anblick brechen, so sehr hatte ich sein Lächeln vermisst.
„Möchtest du was sagen?“, flüsterte er schwer atmend.
„Äh … nimm mich?“, antwortete ich und erwiderte sein Lächeln.
Er lachte rau. „Oh ja, das würde ich gern. Aber vielleicht möchtest du noch etwas anderes sagen?“ Er schob mir eine lose Haarsträhne hinter das Ohr und sah mich erwartungsvoll an. „Na los.“
Ich hielt inne, ein wenig verunsichert. Verdammt. So hatte es immer angefangen, wenn alles zwischen uns wieder kaputtbrach. Wegen irgendwelcher Erwartungen. „Du zuerst“, forderte ich ihn auf.
Leicht neigte er den Kopf zur Seite. „Ich finde, du solltest anfangen, Harper. Immerhin warst du diejenige, die …“
Ich rückte ein wenig von ihm ab. „Diejenige, die was?“
„Na ja, du warst diejenige, die … du weißt schon.“ Ganz offensichtlich erwartete er in diesem Moment eine wie auch immer geartete Erklärung. Ich runzelte die Stirn.
„Willst du denn … gar nichts sagen, Harper?“
„Nein, es ist alles in Ordnung, Nick.“ Meine Lust war definitiv abgeebbt.
„Nichts. Du hast mir also nichts zu sagen“, stellte er fest, trat einen Schritt zurück und fuhr sich durchs Haar.
Ich schürzte die Lippen. „Nun, offenbar bist du der Meinung, dass ich etwas sagen sollte, also warum klärst du mich nicht auf?“
Kurz presste er die Kiefer aufeinander. „Ich dachte nur, du wolltest vielleicht …“
„Was?“
„Dich entschuldigen. Ich dachte, du wolltest dich entschuldigen.“
Ich schüttelte den Kopf. „Oh. Das … das ist ja großartig.“ Aufgebracht verschränkte ich die Arme vor meinem Dekolleté.
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