Zurückgeküsst (German Edition)
Brust und wünschte, ich hätte weinen können, weil ich Nick hasste und dennoch so sehr liebte. Ich fühlte mich betrogen und ausgenutzt und wartete darauf, dass er irgendetwas unternahm, damit ich mich wieder so fühlte wie vor der Hochzeit … geliebt, geschätzt, geachtet. Doch auch er war jung und dumm, und die Kluft zwischen uns wurde immer breiter und tiefer.
Zu meiner Familie hatte ich nicht die Art von Bindung, dass ich hätte anrufen und per Telefon mein Herz ausschütten können. Außerdem war Willa noch auf der Highschool und hielt Nick und mich für den Gipfel der Romantik. BeverLee … nein. Und was meinen Vater betraf, so hatte ich schon vor Jahren aufgehört, offen mit ihm zu sprechen.
Eines Abends fragte mich ein Kellner namens Darrell, ob ich nach Feierabend noch mit ihm und den anderen ausgehen wolle,und plötzlich hatte ich Freunde. Ich glaube, bis dahin hatte ich gar nicht gemerkt, wie einsam ich eigentlich gewesen war. Die Freundinnen vom College hatten sich durch ihre Karrieren oder das weitere Studium von mir entfernt. Aber meine Kollegen waren hier bei mir, in dieser seltsamen Lebensphase, in der wir zwar arbeiteten, aber nicht in dem Beruf, den wir später einmal erreichen wollten, und in der das „wahre Leben“ noch weit weg schien. Sie waren wie Schmetterlinge, hübsch anzusehen, angenehme Gefährten, die frei herumflatterten und dort verweilten, wohin der Wind sie trug – ohne weitere Verpflichtungen.
Natürlich war niemand von ihnen verheiratet. In Manhattan dachte man erst an Heirat, wenn man mindestens schon zehn Jahre zusammenlebte, eher mit vierzig oder fünfzig als mit zwanzig oder dreißig. Mit einundzwanzig verheiratet? Freiwillig? Ich sagte mir selbst, irgendwann würde ich es ihnen schon erzählen. Wenn wir uns noch näher anfreundeten, würde ich es ihnen auf lustige Weise eröffnen und einen Scherz über meinen fast immer abwesenden Ehemann machen … oder wenn Nick irgendwann doch noch auftauchen sollte, wie er es immer wieder versprach. Jedes Schuldgefühl, das ich diesbezüglich empfand, wurde durch die Erleichterung, endlich irgendwo dazuzugehören, erstickt.
Also trug ich meinen Ehering weiterhin an der rechten Hand. Nick fiel es nicht weiter auf … aber unsere Ehe bestand auch nur noch aus gelegentlichen Liebesakten in den frühen Morgenstunden und ein paar höflichen Sätzen zwischendurch, meist via Mailbox. Ich vermisste ihn so sehr, dass ich mich ganz bewusst von ihm abwenden und mein Gefühl verdrängen musste. Und darin war ich gut.
Mein neuer Freundeskreis wurde mir immer wichtiger. Wir aßen vor der Arbeit zusammen und wetteiferten in spitzzüngigen Kommentaren über die Stadt und ihre Bewohner. Nach Feierabend hingen wir noch länger im Claudia’s ab, und ich mixte uns Spezialcocktails. Einmal stürzten Jocasta, Prish und ich uns gemeinsam in einen Sonderverkauf der angesagten Ladenkette Century 21 und kauften heruntergesetzte Designerschuhe. Wir gingen zu einer Autorenlesung im Village. Thanksgiving nahte, und Nick musste nach Lissabon reisen, seine erste internationale Geschäftsreise. Ich gratulierte ihm, lächelte, als er packte, und küsste ihn, als das Taxi kam.
„Bist du sicher, dass du allein klarkommst?“, fragte er noch einmal nach.
„Ja, alles in Ordnung, ich werde bei Prish essen. Dir viel Spaß und viel Glück!“
Ich winkte ihm nach und rief dann meine Freunde an, dass ich jetzt Zeit hätte, mit ihnen zum Trickfilmfestival im Angelika zu gehen. Wir kamen uns dort sehr kultiviert vor. Tatsächlich waren meine Freunde auch sehr kultiviert. Zwar auch ein wenig oberflächlich und gleichgültig, aber sie waren besser als nichts. Ich versuchte, mit ihnen mitzuhalten und mich nicht so hinterwäldlerisch zu fühlen.
Der Kellner namens Darrell war ein sehr ehrgeiziger Typ. Er wollte den nächsten „großen amerikanischen Roman“ schreiben, der die Welt veränderte, und er wollte seinen Master an einer bedeutenden Universität machen. Jocasta und Prish standen beide auf ihn, so wie fast jede Frau, die das Claudia’s betrat. Er war groß und schlank, hatte lange blonde Haare und ausdrucksvolle graue Augen. Er nahm sich selbst sehr wichtig, und, hey, es wirkte. Er flirtete mit mir … na ja, nicht richtig, denn Flirten war unter seiner Würde. Er sah mich nur eindringlich an (wenn er nicht gerade kellnerte natürlich). Ich wusste, er war an mir interessiert, aber ich machte ihm in keiner Weise Hoffnungen.
Das Bedürfnis, Nick zu erwähnen,
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