Zusammen Allein
werden wollte.
Auch wir konnten uns dem Sog nicht entziehen, Petre, Marina und ich.
Aus dem Weg! Bahn frei! Endlich war es ein Miteinander, und es gab kein Ausweichen mehr. Petre und ich genossen eine abenteuerlich lustige Schlittenfahrt, und Marina, das Kind, wurde zum Alibi für unserVergnügen. Jauchzend saß sie vor mir, Beine weit gegrätscht. Dichter Pulverschnee füllte uns Augen, Münder und Nasen, wir sahen nur einen Meter weit, trotzdem rauschten wir ungebremst den Rodelhang hinunter. Das ging lange gut. Dann ein Schatten, eine Schrecksekunde, ein Aufschrei. Das Knirschen war ohrenbetäubend. Schließlich Stille wie vor einem Sommergewitter. Die Stimmen um mich herum waren verschluckt, ich lag in einem Berg aus Schnee, eingegraben bis zur Nasenspitze. Erst nach und nach spürte ich, dass in meinem linken Bein eine Uhr pochte. Erschrocken rappelte ich mich auf. Doch ich knickte sofort wieder um und blieb endgültig liegen.
Bereits nach wenigen Minuten entstand eine Hitze in mir wie an einem Lagerfeuer, ungleichmäßig, launisch. Oben, da wo Petre stand, war es kaum auszuhalten, von unten jedoch kroch die Kälte, dieses gefräßige Tier, in mich herein. Ich begann zu zittern. Jemand holte Hilfe. Petre wich nicht von meiner Seite, er hielt meine Hand und redete Unsinn. Liebkosungen und wirre Verwünschungen wechselten sich ab. Das eine auf Rumänisch, das andere auf Deutsch. Ich musste lachen. Das Glück, so lernte ich an diesem Tag, kommt nicht zur geplanten oder erwünschten Stunde, sondern eifert der Trauer nach, die sich ebenfalls an keine Regeln hält und einen am liebsten dann überfällt, wenn man sich gerade sicher fühlt. Dankbar nahm ich, was sich mir darbot, die Aufmerksamkeit eines Mannes, dessen Verteidigungsanlage zerborsten war.
Ich schaute in Augen, die sich monatelang versteckt hatten, und ich sammelte Liebesworte, die ohne die Sorge um mich nie ausgesprochen worden wären.
Liebe, so fantasierte ich, denn das Fieber hatte mich fest im Griff, ist wie Strom. Liebe fließt durch unser Leben, bewirkt, dass wir im Licht stehen oder, wenn die Leitung unterbrochen ist, in tiefster Dunkelheit.
Ein Bänderriss, ein schwerer Gips und Bettruhe waren ein geringer Preis für das, was ich geschenkt bekam, Petres offene Zuneigung. Marina, unsere Glücksbotin, las mir stundenlang vor und errichtete einen Schutzzaun um unsere junge Liebe. Weil sie nicht zur Schule ging, verbrachte sie den ganzen Tag mit mir, am Abend aber verließ sie freiwillig unser Zimmer, bezog vor der Tür Wache. Dann kam Petre. Ich nannte ihn Brombeerchen. Es klang verrückt, aber eine Königin kann es sich leisten, alle Vernunft und Vorsicht über Bord zu werfen.
Petre, groß und schlank, saß neben mir auf dem Bett und legte seine Hand in meine. Wir sprachen wenig, schauten uns stattdessen an, streichelten uns zaghaft, schnupperten aneinander. Weil ich es nicht mehr aushielt, dieses beinahe Verschmelzen, begann ich zu jammern. In meinem Zimmer hatten sich Eiskristalle auf der Fensterbank gebildet, ich zeigte mit lang ausgestrecktem Finger darauf. Nach hartnäckigem Drängen streifte Petre seine Schuhe ab und legte sich neben mich. Zuerst auf die Decke, doch ich hob sie an und er kroch darunter. Das Gipsbein trennte unsere Unterkörper, unsere Gesichter aber und unsere Hände fanden mühelos den Weg zueinander. Inmitten einer kalten und feindseligen Umgebung bildete sich eine Hitze in mir, die mich zu verbrennen drohte. Es war kein Fieber, und es diente auch nicht der Heilung, sondern wollte gefüttert werden, wie jedes ordentliche Feuer.
»Liebst du mich?« Ich war ein Schaf. Sechzehn Jahrealt und ich verwechselte Begehren mit Liebe und umgekehrt. Als gäbe es keine Zwischentöne, keine Abweichungen, forderte ich alles und die ständige Bestätigung, dass ich zum Mittelpunkt von Petres Dasein geworden war.
»Schwer zu sagen, wir kennen uns ja kaum. Werd du erst einmal gesund und am besten auch noch erwachsen.« Petre machte sich über mich lustig.
»Würdest du etwas anders machen, wenn du dir sicher wärst?«
»Du meine Güte, lernt man diese Fragen in der Teenagerschule?«
»Sag schon«, beharrte ich.
»Wie kann man sich je sicher sein? Da ist nur dieses Gefühl. Dieses Sehnen, dieses ständige Kreisen um den anderen.«
»Um mich, du redest von mir. Warum sagst du es dann nicht?« Und weil er die Schultern zuckte, bohrte ich weiter: »Wann hattest du zum ersten Mal dieses Gefühl?«
»Es war nicht Sehnsucht auf den
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