Zusammen Allein
ja ekelhaft.« Den ausgeschenkten Likör trank der Genosse nicht aus, doch die Flasche für seine Ehefrau nahm er mit.
Misch und Puscha stritten jetzt oft. Sie waren glücklich. Wie Geschwister gingen sie aufeinander los, zankten sich um Kleinigkeiten. Wenn ich zu schlichten versuchte, lachten sie mich aus.
»Schau, sie mag uns«, sagte Puscha dann stolz und nahm ihren Kapitän in den Arm. »Er gehört jetzt mir ganz allein«, fügte sie hinzu. »Damit er nicht übermütig wird, muss ich mit ihm kämpfen.«
5
Von der Trauerfeier war uns ein Gast übrig geblieben. Jemand hatte Marina, Mischs Nichte, vergessen. Nach einigem Nachfragen stellte sich heraus, sie sollte für ein paar Wochen bei uns wohnen. Sie war erst zehn Jahre alt, ein Küken, doch ich verdanke ihr viel. Zunächst aber verteidigte ich mein Revier.
»Bei mir wird sie nicht länger schlafen«, fauchte ich.
Vergebens. Puscha baute sich vor mir auf, beschrieb mit eindringlichen Worten, wie krank Marinas Mutter sei, und drohte, sie würde mich auf die Straße setzen, wenn ich es noch einmal wagen würde, ein Zimmer für mich allein zu beanspruchen. Der Streit dauerte drei Minuten. Wütend beschloss ich, schnellstmöglich auszuziehen.
Puschas Großmut war geheuchelt.
»Eine Trinkerin«, charakterisierte sie Mischs Schwester wenig später, zog die Nase hoch und ließ zu, dass ihr Mund verächtlich zuckte.
Sobald Marina im Bett war, erfuhr ich: Roza, Mischs Schwester, hat in ihrem Leben viele Schicksalsschläge einstecken müssen. Der Schlimmste war, dass sie mit achtzehn Jahren einen gewissen Nicolaie kennenlernte, ihren späteren Mann. Dass er sie nach nur drei Jahren verließ, machte die Sache nicht besser. Die Erblast war hoch. Denn aus der Zeit mit ihm waren ihr seine alte Mutter, ein Kind und die Liebe zum Schnaps geblieben.Sie arbeitete in einer Kolchose, fütterte Hühner, mistete Ställe aus, fuhr die ausgemusterten Hennen zum Schlachthof. Nie gab es bei ihr Huhn, nie verwendete sie Eier zum Backen.
»Wie du redest«, unterbrach Misch meine Großmutter, »sie hätte das Kind gern abgetrieben«, argumentierte er, »sie wollte auf die Handelsschule. Glaub mir, sie hatte was auf dem Kasten.« Er seufzte. »Aber ich war weit weg und konnte ihr nicht helfen.«
Ohne Überleitung fragte er: »Kennt ihr den? Kommt einer ins Krankenhaus. Rechts einen großen Koffer, links einen großen Koffer.
›Wie heißt du?‹, fragt der Portier.
›Laurentiu Venga.‹
›Sag, Laurentiu, was willst du mit den großen Koffern? Wir sind kein Hotel.‹
›Einer ist für mich‹, stottert der Patient, ›einer für euch. Das ist so üblich, sagte man mir.‹
›Bist du blöd, was ist drin in dem Koffer, den du für uns gepackt haben willst?‹
›Geld‹, stöhnt der Patient. ›Für dich, die Schwestern, für die Ärzte, für Bettwäsche, für Essen, für warmes Wasser, für Medikamente, für die Besuchererlaubnis. Dreizehntausend Lei. Sechs Monatsgehälter.‹
Der Portier rauft sich die Haare.
›Ich wiederhole, du bist blöd. So was macht man diskret. Man kommt mit etwas Geld, nicht zu wenig, nicht zu viel. Am nächsten Tag lässt man sich noch etwas von der Frau mitbringen, man stöhnt, man windet sich. Das ist schmieren. Aber so, wie du daherkommst, macht es keinen Spaß. Verschwinde und lass dich nicht vor übermorgen blicken.‹
›Aber, aber‹, stottert der Patient. ›Ich habe morgen einen Operationstermin.‹
Der Portier lacht ihn aus. ›Du Trottel, den Termin habe ich längst an einen anderen verkauft.‹«
»Warum erzählst du diesen blöden Witz?«, wollte ich wissen, »der ist uralt.«
»Weil ich meine Schwester morgen ins Krankenhaus fahren muss, deshalb.«
Trotz Kälte, trotz heftigem Schneefall fuhren Petre, Marina und ich in die Schullerau. Mütze, Schal, zwei Paar Handschuhe, gefütterte Jacke, wattierte Hosen. Wir zwängten uns mit doppeltem Lebendgewicht in den Bus, die Rodelschlitten fest umklammernd. Es war Sonntag, und die Menschen lachten mit roten Backen. Ein Glück lag in der Luft, ein Glücksschwamm, der die Alltagssorgen aufzusaugen schien. Schlangestehen vor dem Schalter, das ja, Drängen und Schubsen vor dem Bus, auch das, aber es ging nicht um Brot und Milch und das Lebensnotwendige, sondern um Freizeit und Spaß, sodass Menschen, die das Lachen verlernt zu haben glaubten, verlegen mit den Mundwinkeln zuckten. Kronstadt, weißgepudert, glänzte silbrig, glich einer Braut, die umarmt und zum Tanz geführt
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