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Zusammen Allein

Titel: Zusammen Allein Kostenlos Bücher Online Lesen
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schon so weit, dass ich um ein Verhör bettle, nur damit ich mich nach ihm erkundigen   …«
    »Jetzt iss doch endlich!«, unterbrach ihn Puscha. »Und kümmere dich endlich um einen Anwalt.«
    »Ohne Rahm kriege ich das nicht runter. Bei meiner Mutter gab es dazu Rahm.« Unglücklich starrte er auf die trockenen Kartoffeln.
    »Kruzitürken, lass mich mit deiner Alten in Ruhe. Glaubst du, dass Petre Rahm serviert bekommt?« Puscha merkte zwar, dass sie dieses Thema lieber hätte meiden sollen, sie war jedoch mächtig in Fahrt geraten,konnte nicht mehr bremsen. »Wie schrecklich naiv du bist. Immer noch denkst du, mit Freundlichkeit könne man in diesem Land etwas erreichen. Aber sie lügen, wenn sie den Mund aufmachen, sie können dir alles erzählen. Du hast keine Möglichkeit, ihre Antworten zu überprüfen.«
    »Hör auf!«, wehrte sich der Kapitän. »Warum quälst du mich?«
    »Na schau, mehr fällt dir nicht ein. Wir haben darüber gesprochen, was zu tun ist, aber es passiert nichts. Warum telefonierst du nicht mit einem Anwalt, warum schreibst du ihren Eltern keinen Brief?« Ihr Kopf deutete auf mich. Nie sprach Puscha von sich aus über meine Eltern. Jetzt aber schien es ihr wirklich wichtig zu sein. Sie wandte sich mir zu. »Die Briefe deiner Mutter liegen unbeantwortet neben deinen Unterhemden, willst du das nicht einmal ändern?«
    »Was kann Mamusch schon tun?«
    »Joi, kommst du nicht selbst darauf?« Tief beugte sie sich herab, zischte mir ins Ohr: »Sie weiß, wie es hier zugeht, aber sie braucht Namen. Jetzt geben wir ihr Namen. Petre Dobresan und Mira Soundso. Deine Mutter, die auch meine Tochter ist, sie soll die Namen im Radio veröffentlichen, in den Zeitungen, im Fernsehen. Von mir aus kann sie alle deutschen Politiker anschreiben. Herrgott, das kann sie doch tun. Für uns und für ihr Kind.«
    Ein Schweigen wie nach einer ergreifenden Predigt. Puscha wäre vielleicht eine gute Anwältin geworden. Sie wäre bestimmt eine gute Kämpferin geworden. Was aber hatte sie all die Jahrzehnte über gemacht? Ceauşescu war seit 1965 an der Macht. Warum hatte sie diesenStaat wachsen lassen, zu einem Geflecht, das alles überwucherte?
    »Aber wie   …?«
    Wie ein Lokomotive stieß Puscha Luft aus, kurz und laut. Sie tippte sich auf den Mund, teilte mir stumm mit, dass ich schweigen solle.
    Sorgsam legte der Kapitän das Messer aus der Hand, stand auf und bedeutete uns, ihm zu folgen. Sein Stuhl fiel donnernd zu Boden, so stark zitterte er. Dann fasste er nach meinem Arm und zog mich mit. Wir durchquerten den Flur.
    »Wohin?«, wollte ich wissen, doch er ging auf meine Frage nicht ein. Erst oben im Bad begann ich zu begreifen.
    »Na, was wolltest du fragen?«, wollte Puscha wissen, nachdem sie den Wasserhahn geöffnet hatte.
    »Wie soll ich die Nachricht rausschmuggeln?«
    »Schaut, sie weigert sich nachzudenken.« Puscha stieß Misch an. »Hat nicht Karin, ich meine, ihre Familie, den Pass bekommen?«
    »Und wenn sie erwischt wird?« Ich biss mir auf die Lippen, »oder das Geheimnis verkauft?« Erinnerungen an Rosi, schmerzhaft wie Nadelstiche, drangen an die Oberfläche. Aber da war auch ein gewisser Trotz mit im Spiel. Warum verlangte sie von mir, dem Kind, schier Unmögliches.
    Diesen Trotz muss Puscha gespürt haben, denn sie blies sich zur doppelten Größe auf. »In diesem Fall, Agnes«, belehrte mich meine Großmutter, würde sich das Risiko rentieren. Rentieren war immer schon eines ihrer Lieblingswörter gewesen, das
R
am Anfang hätte einen Lastwagen den Berg hinaufschieben können, sokraftvoll war es. »Jetzt ist es zu spät für eine höfliche Zurückhaltung, jetzt muss gehandelt werden.« Breitbeinig stand sie neben dem Waschbecken, während Misch sich auf dem Badewannenrand niedergelassen hatte. Puschas Armbänder funkelten, angestrahlt durch eine neue 6 0-Watt -Birne, die der Kapitän auf dem Schwarzmarkt ergattert hatte.
    »Ich finde es nicht richtig, dass Petre uns nicht gewarnt hat«, fuhr sie fort, aber ins Jammern zu verfallen und nichts zu tun sei genauso blöd.
    Nach kurzem Zögern nickte ich, nickte dankbar. Sie hatte recht, es musste etwas geschehen. So furchtbar ich ihre Art auch fand, sie spielte die Rolle der Antreiberin ausgezeichnet.
    »Du hättest Dompteurin werden sollen«, warf ich ihr zu. »Aber ich schreibe den Brief erst, wenn ihr mir alles gesagt habt. Alles. Unter Landesverrat kann ich mir nichts vorstellen.«
    Misch seufzte laut. Das Sprechen fiel ihm

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