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Zusammen Allein

Titel: Zusammen Allein Kostenlos Bücher Online Lesen
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Petre hat die Schuld auf sich genommen. Hast du dich nicht deshalb in ihn verliebt, weil er ist, wie er ist, ein aufrechter Charakter. Schau mich nicht so an.« Dann wisperte sie: »Ob Mira ihm nur beim Verteilen geholfen hat oder auch bei der Produktion, geht uns nichts an. Ich jedenfalls kann mich darüber freuen, dass sie erst gar nicht angeklagt wurde und gut weggekommen ist.«
    Verschimmeln hätte sie können, das war mein erster Gedanke. Mein Zweiter: Vielleicht sitzt sie jetzt daheim, so wie wir, hält einen Brief von Petre in Händen.
    »Vier Monate sind ein Klacks«, wehrte ich mich gegen die demütigende Eifersucht. »Schließlich hat auch sie dem Staat geschadet. Vier Monate bekommt man, wenn man ein Flugblatt mit einem Streikaufruf aufhebt. Vier Monate klingt in meinen Ohren nach Mitarbeit. Keinen Fuß würde ich über die Schwelle ihrer Wohnung tun.«
    Die künstlichen Augenbrauenbögen meiner Großmutter wanderten nach oben, sie verzog den Mund zu einem schmalen Strich, schaute sich um.
    »Sonst noch jemand, der mir Ratschläge erteilen will?«, fauchte sie. Dann machte sie sich wieder daran,die vorrätigen Lebensmittel hervorzukramen. Den Rest würden wir auf dem Schwarzmarkt besorgen müssen. »Nein«, brummte ich, »keine Ratschläge mehr. Es hat ja sowieso alles keinen Sinn. Ich meine, dieses ganze verdammte Leben.«
    »Hört euch das an!« Ob ich wieder normal werden könne, wollte meine Großmutter daraufhin wissen, und ob ich, statt rumzumeckern, Petre eine Antwort schreiben könne. »Natürlich nur, wenn dein Seelenzustand das zulässt. Schließlich geht für andere das Leben weiter, ein noch beschisseneres womöglich.«
     
     
    Trotz Puschas mahnenden Worten richtete ich mich im Unglück ein. Irgendwie passte es zu mir, wie ein maßgeschneidertes Kleid. Im Laufe der letzten zwei Jahre waren jede Menge Teile zusammengekommen, mein persönlicher Kummerkasten war gut bestückt. Auch die Eifersucht pflegte ich wie einen kostbaren Schatz. Obwohl Mira mehrmals bei uns anrief und einige Male Großmutter besuchen kam, schaffte ich es, ihr aus dem Weg zu gehen.
    Mein achtzehnter Geburtstag rückte näher. Erstaunlicherweise erhielt ich drei Briefe, alle am selben Tag. Von meinem Westotata, einen von meinen Westeltern und einen von Petre. Ich wusste nicht, wie mir geschah, welchen sollte ich zuerst öffnen? Da Petres Brief an mich allein adressiert war, lief ich damit in den Garten.
    Mein Blick wanderte in die rechte obere Ecke des Briefes. Dort prangten der Dienststempel und die Unterschrift eines Gefängnisangestellten.
     
    Agnes, Drăguţa
     
    wie geht es Dir? Hier vergehen die Tage langsam, aber bald darf ich in der Schusterei arbeiten, darauf freue ich mich. Auch ein Buch habe ich ausleihen können,
Robinson Crusoe
, ich habe es bereits als Kind mehrmals gelesen. Vielleicht dürft Ihr mir noch ein paar schicken, gerne auch etwas Technisches, bitte nachfragen. Und wie geht es Dir, meinem Tata und Puscha? Ich denke oft an Euch.
    Gerne würde ich Dich umarmen, Dir zu Deinem Geburtstag gratulieren. In Gedanken tue ich es! und wünsche Dir eine schöne Feier.
    Petre
     
    P.   S . Du darfst mir öfter schreiben, ich habe nachgefragt. Zwei Seiten pro Woche sind erlaubt. Viele Küsse für Puscha, für Tata.
     
    Neben mir stand Leo im schneefeuchten Aprilmatsch. Seine Ohren wackelten aufmerksam hin und her, als ich mich bückte und ihm den Brief laut vorlas, einmal und noch einmal. Von drinnen hörte ich Puschas Stimme, sie rief mich wiederholt zum Essen.
    Gerne würde ich Dich umarmen
, las ich erneut
. In Gedanken tue ich es!
Mit Ausrufezeichen. Alles Mögliche konnte man in ein solches Ausrufezeichen hineininterpretieren. Aber mir kam nur ein einziger Gedanke in den Sinn. Er liebt mich, er hat mich immer geliebt. Mein Herz, ich fühlte es wieder, auch dieses Kribbeln im Bauch.
     
     
    Puscha, sie wartete auf mich, und wenn ich ihren Blick richtig deutete, tat sie es geduldig. Das war neu. Zunächst setzte ich mich hin, griff zum Besteck, tat, als sei rein gar nichts, doch dann konnte ich nicht anders, ich sprang auf, stolperte um den Tisch herum, schwang meine Arme um ihren immer noch schönen Hals und rieb meine Wange an ihrer Wange. Worte wollten mir nicht einfallen, weder intelligente noch passende, doch Puscha verstand auch so.
    »Joi, in deinen Augen glüht das Fieber«, lächelte mich meine Großmutter an. »Vielleicht verstehst du mich jetzt.«
    Nein, ich verstand nicht, wusste nicht einmal,

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