Zusammen Allein
und stöhnen. Nachdem Liane gegangen war, lief ich sofort zu Puscha und umarmte sie überschwänglich. Wir erschraken beide.
Zehn Monate flach gelebtes Leben. Plötzlich war es vorbei. Von einem gewissen Popescu, einem Sekuritate-Mann, mit dem wir noch nie zu tun gehabt hatten, erfuhren wir, dass Petre entlassen werden sollte. Doch bis es so weit war, vergingen weitere drei Wochen. Diese Wartezeit war die schlimmste von allen. Ich konnte nicht mehr schlafen, bekam keinen Bissen herunter. Wenn ich morgens in den Spiegel sah, erschrak ich. Dunkle Ränder unter den Augen mussten mit Puder kaschiert werden. Meine Haare waren erschreckend lang. Ich trug sie zumeist offen, was mein Gesicht zusätzlich in die Länge zog. Kein schöner Anblick, murmelte ich meinem Spiegelbild zu und beschloss, zum Friseur zu gehen. Auch Wimperntusche könnte ich mir bei Puscha leihen, auch ein bisschen Rouge, es gab keinen Grund, wie ein Gespenst auszusehen.
Schließlich war es so weit. Der Kapitän besorgte sich einen Wagen, um Petre abzuholen. Puscha und ich sollten zu Hause warten.
»Nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen.« Rücksichtnahme seitens meiner Großmutter klang fremd in meinen Ohren, doch Puscha bestand darauf, ich durfte den Kapitän nicht begleiten. Wir kochten und backten, als stünde uns die Einquartierung einer ganzen Kompanie ins Haus. Puscha war zu ihrer Cousine nach Rosenau gefahren, um unsere Vorräte aufzufrischen.
Endlich hörten wir, wie eine Wagentür zugeschlagen wurde. Wir rissen die Schürzen ab, warfen sie auf den Boden, wischten die mehligen Hände an den Sonntagskleidern ab, rannten hinaus. Im Hoftor blieben wir stehen. Neben uns bellte Leo, er war mit uns um die Wette gelaufen, hatte sich gefreut. Nun zögerte auch er. SeinSchwanz pendelte langsam, als sei er sich seiner Sache nicht sicher. Behutsam öffnete sich die Beifahrertür, doch es dauerte eine ganze Weile, bevor Petre sichtbar wurde. Wie ein seltenes Insekt entstieg er dem Wagen. Der Kapitän, selbst auf seinen Stock gestützt, musste ihm helfen. Wir konnten uns nicht von der Stelle rühren. Die Verwunderung hatte uns einzementiert. Puscha stand direkt neben mir und legte ihren Arm um meine Taille, als gälte es, mich zu beschützen. In ihren Augen spiegelte sich mein Entsetzen. Petre war kaum wiederzuerkennen. Er ging gebeugt. Er war vierundzwanzig Jahre alt.
Es war Leo, der die Situation rettete. Vorsichtig schnuppernd und mit hochgestellten Ohren näherte er sich Petre. Als dieser sich herunterbeugte und Leo ansprach, drangen kehlige Begrüßungslaute aus dem Hundemaul. Immer lauter wurde die Begrüßung, immer hektischer leckte Leo über Petres Hände und dessen Gesicht. Ich musste ihn zur Seite schieben, um meinen Geliebten zu umarmen. Auch Puscha hatte sich in Bewegung gesetzt, um das, was von dem schönen, starken und stolzen Petre übrig geblieben war, zu begrüßen.
»No, hattest du eine gute Fahrt?«, fragte meine Großmutter, als wäre er aus der Kur zurückgekehrt. Petre nickte und lächelte uns glücklich an.
Am Nachmittag kam Mischs Verwandtschaft angereist. Wir saßen draußen unter dem dicht beblätterten Nussbaum. Es gab frische Burezzen, Karfiolsalat, gefüllte Arde und vieles mehr. Und alle waren bester Laune. Tranken und aßen Unmengen. Nur einer nicht, die Hauptperson.
»Jesses Maria«, Puscha stieß Petre an, »jetzt habenwir so viel kredenzt, und du genierst dich. Oder bist du heikel geworden?«
»Lass ihn«, unterbrach sie Misch, und seine Augäpfel zeigten zum Himmel. Unsere Vermutung, Petres Entlassung hätte etwas mit den Protesten im Ausland zu tun oder mit der Einsicht, dass er nicht gemeingefährlich war, erwies sich als falsch. Sie wollten ihn los werden. Man musste nicht gründlich hinschauen, um zu bemerken, dass er krank war. Aus seinem Gepäck holte er Röntgenunterlagen hervor, reichte sie herum wie Postkarten aus einem exotischen Urlaubsort. Ein Torso mit Rippen und inneren Organen war auf den Fotos zu erkennen. Unten, ganz klein, mit zittriger Hand geschrieben, das Wort TBC.
Hastig aßen wir weiter.
»Noch jemand Vinete?«, fragte Puscha. »Es sind die letzten ordentlichen Auberginen dieses Jahr, greift zu.« Dann, nach einer kurzen Pause, heftete sie ihren Blick wieder auf Petre. »Jetzt geiz nicht rum, sag endlich: Wie war es?« Im Garten wurde es still. Selbst die Vögel verstummten. Nur eine Gelse flog über den Tisch. Bald würde sie die Kerze erreicht haben. Wenn wir Glück hatten,
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