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Zusammen ist man weniger allein

Zusammen ist man weniger allein

Titel: Zusammen ist man weniger allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Gavalda
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komme, bring ich dir einen Teller mit. Und keine Sorge, ich weiß, wie die Mädels drauf sind, es gibt kein Entenschmalz und keine Kutteln. Ich koch dir was Leckeres, nur für dich. Fisch, Grillfleisch, leckeres Gemüse, nur Sachen, die du magst. Kleine Mengen, aber die mußt du dafür ganz aufessen, sonst gibt’s nichts mehr. Abends bin ich nicht da, da laß ich dich in Ruhe, aber ich verbiete dir, nur zu knabbern. Ich mach wie immer Anfang der Woche einen großen Topf Suppe für Philou und fertig. Ziel ist, daß du von meiner Haferration süchtig wirst. Daß du dich jeden Morgen beim Aufstehen fragst, was wohl heut auf dem Speisezettel steht. Und … Ich versprech dir nicht dauernd ein Festmahl, aber es wird dir schmecken, wirst schon sehen. Und wenn du anfängst, Fett anzusetzen, dann …«
    »Was dann?«
    »Dann freß ich dich!«
    »Wie die Hexe bei Hänsel und Gretel?«
    »Genau. Und es wird dir auch nichts nützen, mir einen Knochen hinzuhalten, wenn ich deinen Arm befühlen will, ich bin nämlich nicht kurzsichtig! Und jetzt will ich nix mehr hören. Es ist fast zwei, und wir haben morgen einen langen Tag vor uns.«
    »Du tust zwar immer so grantig, aber eigentlich bist du ein ganz Lieber …«
    »Klappe.«
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    12
     
     
     
    »Hoch mit dir, du Michelin-Männchen!«
    Er stellte das Tablett neben die Matratze.
    »Oh! Frühstück im B…«
    »Nur nicht zuviel Begeisterung. Das ist nicht von mir, sondern von Jeannine. Auf, beeil dich, wir sind spät dran. Und iß wenigstens eine Scheibe Brot, verschaff dir eine Grundlage, sonst wirst du dafür büßen.«
    Kaum hatte sie einen Fuß nach draußen gestreckt, ihr war noch leicht übel vom Milchkaffee, da wurde ihr auch schon ein Glas Weißwein gereicht.
    »Los, junge Frau! Ein bißchen Mut antrinken!«
     
    Sie waren alle da, die von gestern abend und die Leute aus dem Dorf, alles in allem gut fünfzehn Personen, von der TV-Familie bis zum Pauschalreise-Katalog. Die Älteren in Kittelschürze, die Jüngeren im Trainingsanzug. Sie stampften mit den Füßen, das Glas fest in der Hand, riefen einander Dinge zu, lachten und verstummten plötzlich: Soeben war Gaston mit seinem großen Messer eingetroffen.
    »Das ist der Schlachter.«
    »Hab ich mir schon gedacht.«
    »Hast du seine Hände gesehen?«
    »Beeindruckend.«
    »Heut werden zwei Schweine geschlachtet. Und die sind nicht blöd, die haben heut morgen nix zu futtern gekriegt und wissen jetzt also, daß es ihnen an den Kragen geht. Das riechen die. Da ist schon das erste. Hast du dein Heft?«
    »Ja, ja.«
    Camille zuckte unweigerlich zusammen. So groß hatte sie es sich nicht vorgestellt.
     
    Sie führten es in den Hof, Gaston zog ihm mit dem Knüppel eins über, dann wurde es auf die Bank gelegt und in Windeseile festgebunden, wobei der Kopf nach unten hing. Bis dahin ging es noch, weil das Tier ein wenig benommen war, doch als Gaston ihm mit der Klinge die Halsschlagader durchtrennte, ein Graus. Es sah nicht so aus, als hätte er es getötet, eher zum Leben erweckt. Alle Männer auf ihm, das spritzende Blut, die Oma, die einen Topf drunterstellte und die Ärmel hochkrempelte, um darin herumzurühren. Ohne Löffel, ohne alles, mit der nackten Hand. Würg. Aber auch das ging noch, wirklich unerträglich war, es zu hören. Wie es immer lauter brüllte. Je mehr Blut abfloß, um so mehr schrie es, und je mehr es schrie, um so weniger hörte es sich an wie ein Tier. Es klang fast menschlich. Ein Röcheln, ein Flehen. Camille krallte sich an ihrem Heft fest, und den anderen, die das alles in- und auswendig kannten, ging es nicht wirklich besser. Na! Noch einen Becher zum Durchhalten?
    »Wirklich nicht, danke.«
    »Alles in Ordnung?«
    »Ja.«
    »Malst du nicht?«
    »Nein.«
     
    Camille, die nicht auf den Kopf gefallen war, nahm sich zusammen und gab keinen blöden Kommentar ab. Für sie kam das Schlimmste noch. In ihren Augen war das Schlimmste nicht der Tod als solcher. Nein, so war halt das Leben. Was ihr jedoch am grausamsten vorkam, war das Herbeiführen des zweiten. Vermenschlichung hin oder her, Empfindsamkeit hin oder her, da konnte man sagen, was man wollte, es war ihr egal, es fiel ihr wirklich schwer, ihre Gefühle zu beherrschen. Denn das andere, das alles mitgehört hatte, wußte, was sein Kumpel gerade durchgemacht hatte, und wartete nicht darauf, durchbohrt zu werden, um wie am Spieß zu brüllen. Wobei … »wie am

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