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Zusammen ist man weniger allein

Zusammen ist man weniger allein

Titel: Zusammen ist man weniger allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Gavalda
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Kleine wieder aufwärmen!«
    Er atmete auf. Gott sei Dank. Das Schlimmste war überstanden. Er stellte seine Sachen in den Schrank und holte den Wasserkessel.
    »Hol die Löffelbiskuits aus meinem Nachttisch.« Dann an Camille gewandt: »Sie sind das also. Sie sind Camille. Wie ich mich freue, Sie zu sehen.«
    »Ich auch. Vielen Dank für den Schal.«
    »Ach ja, genau, hier …«
    Sie stand auf und kam mit einer Tasche alter Strickhefte zurück.
    »Die hat Yvonne, eine Freundin, mir für Sie gegeben. Sagen Sie mir, was Ihnen gefällt. Aber kein Perlmuster! Das kann ich nicht.«
    März 1984. Alles klar.
     
    Camille blätterte langsam die verblichenen Seiten um.
    »Der hier sieht doch ansprechend aus, oder?«
    Paulette zeigte ihr eine fürchterlich häßliche Strickjacke mit Zopfmuster und vergoldeten Knöpfen.
    »Hm, mir würde ein dicker Pullover besser gefallen.«
    »Ein dicker Pullover?«
    »Ja.«
    »Wie dick?«
    »Tja, wissen Sie, so eine Art Rollkragenpullover.«
    »Dann blättern Sie weiter zu den Männern!«
    »Dieser hier.«
    »Franck, mein Schatz, meine Brille.«
    Was war er froh, sie so reden zu hören. Gut so, Omi, weiter so. Gib mir Befehle, mach mich lächerlich vor ihr, indem du mich wie ein Baby behandelst, aber nicht flennen. Ich bitte dich. Nicht wieder flennen.
     
    »Eh … Ich … Ich laß euch allein. Ich muß mal.«
    »Ja, ja, laß uns ruhig allein.«
    Er lächelte.
    Was für ein Glück, Mann, was für ein Glück.
     
    Er schloß die Tür und machte Luftsprünge im Flur. Er hätte die erstbeste Bettlägerige umarmt. Klasse, Mann! Er war nicht mehr allein. Er war nicht mehr allein! »Laß uns allein«, sagt sie zu ihm. Klar doch, Mädels, ich laß euch allein! Verflucht, was anderes will ich doch gar nicht! Was anderes will ich nicht!
    Danke, Camille, danke. Auch wenn du nie wieder mitkommst, haben wir jetzt drei Monate Galgenfrist mit deinem verfluchten Pulli! Die Wolle, die Farben, die Anproben. Die Gespräche waren für einige Zeit gesichert. Wo waren noch mal die Klos?
     
    Paulette setzte sich in ihren Sessel, und Camille lehnte sich mit dem Rücken an die Heizung.
    »Geht das auf dem Boden?«
    »Ja.«
    »Franck setzt sich auch immer so hin.«
    »Haben Sie schon einen Biskuit gegessen?«
    »Vier!«
    »Gut so.«
     
    Sie sahen sich an und kommunizierten schweigend. Sie unterhielten sich über Franck, die Entfernungen, die Jugend, die verschiedenen Landstriche, den Tod, die Einsamkeit, die verstreichende Zeit, das Glück, zusammenzusein, und die Mühsal des Lebens, ohne dabei ein einziges Wort zu sagen.
     
    Camille hatte große Lust, sie zu malen. Ihr Gesicht ließ sie an die Gräser einer Böschung denken, die violetten Wildblumen, die Vergißmeinnicht, die Butterblumen. Ihr Gesicht war offen, sanft, leuchtend, fein wie japanisches Papier. Die Kummerfalten verschwanden im dampfenden Tee und machten tausend kleinen gütigen Fältchen in den Augenwinkeln Platz.
    Sie fand sie schön.
     
    Paulette dachte genau das gleiche. Sie war so anmutig, diese Kleine, so ruhig, so elegant in ihrem Vagabundenaufzug. Sie wünschte sich den Frühling herbei, um ihr den Garten zu zeigen, die blühenden Äste des Quittenbaums und den Geruch des falschen Jasmins. Nein, sie war nicht wie die anderen.
    Ein Engel, der vom Himmel gefallen war und Arbeitsschuhe tragen mußte, um auf der Erde zu bleiben.
     
    »Ist sie weg?« fragte Franck beunruhigt.
    »Nein, nein, ich bin hier!« antwortete Camille und streckte den Arm über das Bett.
     
    Paulette lächelte. Für gewisse Dinge brauchte sie keine Brille. Ein tiefer Trost legte sich auf ihre Brust. Sie mußte sich fügen. Sie würde sich fügen. Sie mußte sich endlich damit abfinden. Für ihn. Für sie. Für alle.
    Keine Jahreszeiten mehr, na gut. Einerlei. Das war eben so. Jeder war mal an der Reihe. Sie würde ihn nicht mehr aufreiben. Sie würde nicht mehr jeden Morgen an ihren Garten denken, sie … Sie würde versuchen, an nichts mehr zu denken. Jetzt war er dran.
    Er war dran.
     
    Franck erzählte ihr mit einer ganz neuen Fröhlichkeit vom gestrigen Tag, und Camille zeigte ihr die Skizzen.
    »Was ist das?«
    »Die Harnblase eines Schweins.«
    »Und das?«
    »Ein Paar revolutionäre Stiefel-Pantoffeln-Holzschuhe!«
    »Und der Kleine?«
    »Eh … ich weiß nicht mehr, wie er heißt.«
    »Und das?«
    »Das ist Spiderman. Auf keinen Fall zu verwechseln mit Batman!«
    »Es ist wunderbar, so begabt zu sein.«
    »Ach, das ist nichts.«
    »Ich rede nicht von

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