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Zusammen ist man weniger allein

Zusammen ist man weniger allein

Titel: Zusammen ist man weniger allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Gavalda
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Ihren Bildern, meine Liebe, ich rede von Ihrem Blick. Ah! Hier kommt mein Abendessen! Ihr müßt jetzt langsam an die Rückfahrt denken, Kinder. Es ist schon ganz dunkel.«
     
    Moment! Sie fordert uns auf zu gehen? Franck war völlig von den Socken. Er war so verwirrt, daß er sich am Vorhang festhalten mußte, um hochzukommen, und dabei die Gardinenstange herunterriß.
    »Scheiße!«
    »Laß ruhig, und hör endlich auf, wie ein Ganove zu reden!«
    »Ich hör schon auf.«
    Er senkte lächelnd den Blick. Nur zu, liebe Paulette. Nur zu. Tu dir keinen Zwang an. Schimpf. Mecker. Moser. Sei wieder du selbst.
     
    »Camille?«
    »Ja?«
    »Darf ich Sie um einen Gefallen bitten?«
    »Natürlich!«
    »Rufen Sie mich an, wenn Sie zu Hause angekommen sind, um mich zu beruhigen? Er ruft mich niemals an, und ich … Oder, wenn Ihnen das lieber ist, lassen Sie es einmal klingeln und legen Sie wieder auf, dann weiß ich Bescheid und kann einschlafen.«
    »Versprochen.«
     
    Sie waren noch auf dem Flur, als Camille einfiel, daß sie ihre Handschuhe vergessen hatte. Sie stürzte wieder ins Zimmer und sah, daß sie schon am Fenster stand, um sie abzupassen.
    »Ich … meine Handschuhe …«
    Die alte Frau mit den rosafarbenen Haaren besaß nicht die Grausamkeit sich umzudrehen. Sie hob nur die Hand und nickte.
     
    »Das ist ja schrecklich«, sagte sie, als er vor dem Schloß kniete.
    »Nein, sag das nicht. Sie war heut supergut drauf! Deinetwegen, übrigens. Danke.«
    »Nein, es war schrecklich.«
     
    Sie machten winke-winke zu der kleinen Gestalt im dritten Stock und fädelten sich wieder ins Straßengewimmel ein. Franck fühlte sich leichter. Camille hingegen fand nicht die Worte zum Nachdenken.
     
    Er hielt vor der Toreinfahrt, ohne den Motor abzustellen.
    »Ko … Kommst du nicht mit rauf?«
    »Nein«, machte der Helm.
    »Na gut. Tschüß dann.«
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    14
     
     
     
    Es mußte so kurz vor neun sein, und die Wohnung war in völlige Dunkelheit getaucht.
    »Philou? Bist du da?«
    Sie fand ihn, auf seinem Bett sitzend. Völlig fertig. Eine Decke über den Schultern, die Hand in ein Buch geklemmt.
    »Alles in Ordnung?«
    »…«
    »Bist du krank?«
    »Ich habe mir solche So… Sorgen gemacht. Ich habe euch viel … viel früher er… erwartet.«
    Camille seufzte. Verflucht. War es nicht der eine, war es der andere.
     
    Sie stützte sich mit dem Ellbogen auf den Kamin, kehrte ihm den Rücken zu und legte die Stirn in die Hände:
    »Philibert, bitte hör auf. Hör auf zu stottern. Tu mir das nicht an. Mach nicht alles kaputt. Es ist das erste Mal seit Jahren, daß ich weggefahren bin. Setz dich auf, wirf diesen mottenzerfressenen Poncho weg, leg dein Buch zur Seite, sei ganz entspannt und frag mich: ›Na, Camille? Wie war eure Spritztour?‹«
    »Na… na, Ca… Camille? Wie war eure Spritztour?«
    »Sehr schön, ich danke dir! Und du? Welche Schlacht haben wir heute geschlagen?«
    »Pavia.«
    »Aha … sehr gut.«
    »Keineswegs, ein Desaster.«
    »Welche war das noch mal?«
    »Die Valois gegen die Habsburger. Franz I. gegen Karl V.«
    »Aber ja doch! Karl V. kenne ich! Der kommt doch nach Maximilian I. im germanischen Reich!«
    »Potzblitz, woher weißt du das?«
    »Ah! Ah! Ich habe dich überrascht, stimmt’s?«
     
    Er setzte die Brille ab, um sich die Augen zu reiben.
    »Wie war eure Spritztour?«
    »Bunt schillernd.«
    »Zeigst du mir dein Heft?«
    »Wenn du aufstehst. Ist noch Suppe da?«
    »Ich glaube ja.«
    »Ich warte in der Küche auf dich.«
    »Und Franck?«
    »Ausgeflogen.«
     
    »Wußtest du, daß er ein Waisenkind ist? Vielmehr, daß seine Mutter ihn nicht haben wollte?«
    »Ich meinte, so etwas verstanden zu haben.«
     
    Camille war zu müde, um einzuschlafen. Sie rollte ihren Kamin ins Wohnzimmer und rauchte mit Schubert Zigaretten.
    Winterreise.
     
    Sie fing an zu weinen und hatte plötzlich wieder den üblen Geschmack von Steinen in der Kehle.
    Papa.
    Camille, Stop. Stell dich in die Ecke. Dieses romantische Gesülze, die Kälte, die Müdigkeit, der andere hier, der mit deinen Nerven spielt. Hör sofort damit auf. Blödsinn ist das.
    Oh, Scheiße!
    Was?
    Ich hab vergessen, Paulette anzurufen.
    Na, dann aber schnell!
    Es ist schon ganz schön spät.
    Um so wichtiger! Beeil dich!
     
    »Ich bin’s. Camille. Hab ich Sie geweckt?«
    »Nein, nein.«
    »Ich hatte Sie

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