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Zusammen ist man weniger allein

Zusammen ist man weniger allein

Titel: Zusammen ist man weniger allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Gavalda
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schien er sich an seine Freundin zu kuscheln, während sie aufstand, um den Fernseher der Alten auszuschalten. Aber kein Problem. Kein Problem. Dokumentarfilme über die Schwimmblase der Knurrhähne und der letzte Tropfen Kräutertee waren ihr immer noch lieber als der Job bei Proclean. Natürlich hätte sie auch gar nicht arbeiten können, aber sie war nicht stark genug, um das auf sich zu nehmen. Die Gesellschaft hatte sie gut erzogen. Lag es an dem fehlenden Selbstvertrauen oder im Gegenteil an der Angst, in eine Situation zu geraten, in der sie ihren Lebensunterhalt damit verdiente, auf ihrem Selbstbewußtsein herumzutrampeln. Sie hatte noch ein paar Kontakte. Aber sollte sie sich noch einmal so verbiegen? Ihre Hefte zuschlagen und eine Lupe in die Hand nehmen? Dazu hatte sie nicht mehr den Mut. Sie war nicht besser geworden, nur älter. Uff.
     
    Nein, das Problem lag drei Etagen höher. Warum hatte er sich überhaupt geweigert, ihr aufzumachen? War er in Trance oder auf Entzug? Stimmte seine Geschichte mit der Entziehungskur? Das konnte er seiner Großmutter erzählen. Gesäusel, um die vornehmen Töchter und ihre Concierge um den Finger zu wickeln, ja! Warum ging er nur nachts nach draußen? Um sich ficken zu lassen, bevor er sich einen Schuß in den abgebundenen Unterarm setzte? Sie waren alle gleich. Lügner, die einem Sand in die Augen streuten und auf Knien jubilierten, während man selbst vor Reue fast umkam, Dreckskerle.
     
    Als sie Pierre vor zwei Wochen an der Strippe hatte, beging sie wieder dieselben Dummheiten: Sie fing erneut an zu lügen.
    »Camille. Kessler am Apparat. Was ist da los? Wer ist dieser Typ, der in meinem Zimmer haust? Ruf mich sofort zurück.«
    Danke, du dicke Perreira. Danke.
    Heilige Fatima, bitte für uns.
     
    Sie war ihm zuvorgekommen:
    »Das ist ein Modell«, erklärte sie, noch bevor sie ihn begrüßt hatte, »wir arbeiten zusammen.«
    Sprachlosigkeit am anderen Ende.
    »Ein Modell?«
    »Ja.«
    »Lebst du mit ihm zusammen?«
    »Nein. Ich sagte doch bereits: Ich arbeite.«
    »Camille … Ich … Ich möchte dir jetzt so gern vertrauen … Kann ich das?«
    »…«
    »Für wen ist es?«
    »Für dich.«
    »Wirklich?«
    »…«
    »Du … du …«
    »Ich weiß es noch nicht. Eine Rötelzeichnung, denke ich …«
    »Fein.«
    »Tschüß dann.«
    »He!«
    »Ja?«
    »Mit was für Papier arbeitest du?«
    »Mit gutem.«
    »Bist du dir sicher?«
    »Daniel hat mich bedient.«
    »Sehr gut. Und sonst, alles in Ordnung bei dir?«
    »Im Augenblick rede ich mit dem Händler. Zwecks Geplänkel rufe ich dich auf der anderen Leitung an.«
    Klick.
     
    Seufzend schüttelte sie die Streichholzschachtel. Sie hatte keine Wahl.
    Heute abend, nachdem sie eine kleine alte Frau ins Bett gebracht hätte, die sowieso nicht müde war, würde sie die Treppe hochgehen und mit ihm sprechen.
    Als sie das letzte Mal versucht hatte, einen Junkie bei Einbruch der Dunkelheit zurückzuhalten, hatte sie einen Messerstich in die Schulter abgekriegt. Okay. Das hier war etwas anderes. Es war ihr Typ gewesen, sie hatte ihn geliebt und alles, aber trotzdem … Diese kleine Gunstbezeugung hatte ihr ganz schön weh getan.
    Scheiße. Keine Streichhölzer mehr. Mist aber auch. Heilige Fatima und Hans Christian Andersen, hiergeblieben, verflucht. Bleibt noch ein bißchen.
     
    Und wie in dem Märchen stand sie auf, zupfte ein wenig an ihren Hosenbeinen und machte sich auf den Weg zu ihrer Großmutter ins Paradies.
     
     
     
     
     
    9
     
     
     
    »Was ist es?«
    »Ach …« wand sich Philibert, »nichts Richtiges eigentlich.«
    »Ein antikes Drama?«
    »Neeiiin.«
    »Ein Vaudeville?«
    Er griff nach seinem Wörterbuch:
    »Vaterunser … Vatikan … Vau… Vaudeville … Leichte Komödie, gründet auf Überraschungen in der Handlung, Verwechslungen und Bonmots … Ja. Genau das ist es«, sagte er und klappte es abrupt zu. »Eine leichte Komödie mit Bonmots.«
    »Worum geht’s da?«
    »Um mich.«
    »Um dich?« Camille erstickte fast vor Lachen, »aber ich dachte, es wäre bei euch tabu, über sich zu sprechen?«
    »Nun ja, ich nehme Abstand davon«, fügte er hinzu und warf sich in Pose.
    »Und … eh … und das Kinnbärtchen hier. Ist das … Ist das für die Rolle?«
    »Gefällt es dir nicht?«
    »Doch, doch, das ist … das ist dandyhaft. Man könnte meinen, Mit Rose und Revolver , nicht wahr?«
    »Mit was?«
    »Stimmt ja, du entdeckst das Fernsehen mit Julien Lepers. Sag mal, eh … Ich muß mal nach

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