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Zusammen ist man weniger allein

Zusammen ist man weniger allein

Titel: Zusammen ist man weniger allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Gavalda
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oben. Zu meinem Untermieter. Kann ich dir Paulette anvertrauen?«
    Er nickte und strich sich über die Barthaare:
    »Gehe, laufe, fliege und steige zu deinem Schicksal auf, mein Kind.«
    »Philou?«
    »Ja?«
    »Wenn ich in einer Stunde nicht zurück bin, könntest du dann mal nach mir schauen?«
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    10
     
     
     
    Das Zimmer war tadellos aufgeräumt. Das Bett war gemacht, und er hatte zwei Tassen und ein Paket Würfelzucker auf den Campingtisch gestellt. Er saß auf einem Stuhl, mit dem Rücken zur Wand und schlug sein Buch zu, als sie leise an die Tür klopfte.
     
    Er stand auf. Sie waren gleichermaßen verlegen, der eine wie die andere. Es war schließlich das erste Mal, daß sie sich verabredet hatten. Betretenes Schweigen.
    »Mö… möchtest du etwas trinken?«
    »Gern.«
    »Tee? Kaffee? Cola?«
    »Kaffee ist prima.«
     
    Camille setzte sich auf den Hocker und fragte sich, wie sie es geschafft hatte, so lange hier zu wohnen. Es war so feucht, so dunkel, dermaßen … gnadenlos. Die Decke war so niedrig, die Wände schmutzig. Nein, das war nicht möglich. Es mußte jemand anderes gewesen sein.
     
    Er machte sich an den Elektroplatten zu schaffen und zeigte auf das Glas Nescafé.
    Barbès schlief auf dem Bett und öffnete von Zeit zu Zeit ein Auge.
     
    Zum Schluß zog er den Stuhl näher heran und setzte sich ihr gegenüber:
    »Schön, dich zu sehen. Du hättest auch schon früher kommen können.«
    »Ich habe mich nicht getraut.«
    »Nicht?«
    »Du bereust, daß du mich mit hierhergenommen hast, stimmt’s?«
    »Nein.«
    »Doch. Du bereust es. Aber mach dir keine Sorgen. Ich warte bloß noch auf grünes Licht, dann bin ich hier weg. Es ist nur noch eine Frage von Tagen.«
    »Wo willst du hin?«
    »In die Bretagne.«
    »Zu deiner Familie?«
    »Nein. In ein Zentrum für … für menschliche Wracks. Nee, ich bin blöd. In ein Zentrum des Lebens, so muß ich wohl sagen.«
    »…«
    »Das hat der Doc für mich aufgetan. So ein Teil, wo sie aus Algen Dünger machen. Algen, Scheiße und geistig Behinderte. Genial, oder? Ich werd der einzige normale Arbeiter sein. Wobei ›normal‹, ist ja relativ.«
    Er lächelte.
    »Hier, sieh dir die Broschüre an. Das hat doch Klasse, oder?«
    Zwei Mongoloide mit einer Mistgabel in der Hand standen vor einer Art Sickergrube.
    »Ich werde Algenkompost machen, so ein Zeug aus Pflanzenabfall, Algen und Pferdemist. Ich spür schon, das wird mir gefallen. Na ja, am Anfang ist es anscheinend nicht so einfach, wegen dem Geruch, aber später merkt man gar nichts mehr.«
    Er legte das Foto wieder weg und zündete sich eine Zigarette an.
    »Die großen Ferien halt.«
    »Wieviel Zeit bleibt dir noch?«
    »Soviel ich brauche.«
    »Nimmst du Methadon?«
    »Ja.«
    »Seit wann?«
    Unbestimmte Geste.
    »Bist du okay?«
    »Nein.«
    »Komm schon. Du wirst das Meer sehen!«
    »Super. Und du? Warum bist du hier?«
    »Wegen der Concierge. Sie hatte Angst, du wärst tot.«
    »Da wird sie enttäuscht sein.«
    »Bestimmt.«
    Sie lachten.
    »Bist … bist du auch HIV positiv?«
    »Nee. Das hab ich nur gesagt, um ihr zu gefallen. Damit sie sich mit meinem Hund anfreundet. Nee, nee … Ich hab immer aufgepaßt. Hab mich mit sauberen Dingern kaputtgespritzt.«
    »Ist es deine erste Entziehungskur?«
    »Ja.«
    »Meinst du, du schaffst es?«
    »Ja.«
    »…«
    »Ich hatte Glück. Man muß die richtigen Leute treffen, denk ich … und ich … ich glaub, daß ich sie an der Hand habe.«
    »Deinen Arzt?«
    »Meine Ärztin! Ja, aber nicht nur. Einen Seelenklempner auch. Einen alten Opa, der mir den Kopf abgerissen hat. Kennst du V33?«
    »Was ist das? Ein Medikament?«
    »Nein, ein Zeug, mit dem man Holz abbeizt.«
    »Ach ja! Eine rotgrüne Flasche, stimmt’s?«
    »Wenn du es sagst. Na ja, der Typ ist mein V33. Er trägt das Mittel auf, es brennt, es wirft Blasen, und dann nimmt er seinen Spachtel und löst die ganze Scheiße. Sieh mich an. Unter meinem Schädel bin ich vollkommen nackt!«
    Er konnte nicht lächeln, seine Hände zitterten:
    »Scheiße, ist das schwer. Zu schwer. Ich hätte nicht gedacht, daß …«
    Er hob den Kopf.
    »Und außerdem, eh … War da noch jemand anderes. Eine Kleine mit Storchenbeinen, die ihre Hose wieder hochgezogen hat, bevor ich mehr sehen konnte, leider.«
     
    »Wie heißt du?«
    »Camille.« Er wiederholte den Namen und drehte sich zur Wand.
    »Camille …

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