Zusammen ist man weniger allein
mehr.«
»Wann fährst du?«
»Eigentlich nächste Woche.«
»Willst du dich bei mir bedanken?«
»Wenn ich kann.«
»Laß mich dich malen.«
»Ist das alles?«
»Ja.«
»Nackt?«
»Das wäre mir am liebsten.«
»Mensch, du hast mich noch nicht nackt gesehen.«
»Ich kann’s mir vorstellen.«
Er schnürte seine Turnschuhe, und sein Hund rannte aufgeregt hin und her.
»Gehst du raus?«
»Die ganze Nacht. Jede Nacht. Ich lauf bis zum Umfallen. Morgens, wenn die aufmachen, hol ich mir meine tägliche Dosis ab und leg mich schlafen, um bis zum nächsten Tag durchzuhalten. Was Besseres ist mir bisher noch nicht eingefallen.«
Geräusche auf dem Flur. Haaresträuben.
»Da ist jemand«, sagte er voller Panik.
»Camille? Alles in Ordnung? Hier ist dein … dein tapferer Ritter.«
Philibert stand im Türrahmen, einen Säbel in der Hand.
»Barbès! Sitz!«
»Ich … Ich wirke ein wenig lä… lächerlich, oder?«
Sie stellte ihn lachend vor:
»Vincent, das ist Philibert Marquet de la Durbellière, Oberbefehlshaber einer in Auflösung begriffenen Armee«, dann zu Philibert gewandt: »Philibert, Vincent … eh … wie van Gogh.«
»Erfreut«, antwortete er und steckte seinen Säbel wieder weg. »Lächerlich und erfreut. Na dann, dann will ich … mich zurückziehen, nicht wahr?«
»Ich komm mit dir nach unten«, antwortete Camille.
»Ich auch.«
»Kommst du … bei mir vorbei?«
»Morgen.«
»Wann?«
»Nachmittags. Eh? Mit meinem Hund?«
»Mit Barbès, ja klar.«
»Ah! Barbès …« sagte Philibert betrübt. »Noch so ein verrückter Republikaner. Ich hätte wohl die Äbtissin von Rochechouart vorgezogen!«
Vincent sah ihn fragend an.
Sie zuckte ratlos mit den Schultern.
Philibert, der sich umgedreht hatte, nahm daran Anstoß:
»Ganz genau! Und daß der Name dieser armen Marguerite de Rochechouart de Montpipeau mit einem solchen Nichtsnutz in Verbindung gebracht wird, ist eine Absurdität!«
»De Montpipeau?« wiederholte Camille. »Ihr habt vielleicht Namen. Warum meldest du dich eigentlich nicht bei Wer wird Millionär? «
»Ah! Jetzt fängst du auch noch damit an! Du weißt genau, warum.«
»Nein. Warum?«
»Bis ich das erste Wort herausgebracht habe, ist es schon Zeit für die Nachrichten …«
11
In dieser Nacht schlief sie nicht. Irrte umher, scharrte im Staub, schlug sich mit Geistern herum, nahm ein Bad, stand spät auf, duschte Paulette, frisierte sie völlig geistesabwesend, flanierte ein wenig mit ihr durch die Rue de Grenelle und war außerstande, etwas zu sich zu nehmen.
»Du bist heute sehr nervös.«
»Ich habe eine wichtige Verabredung.«
»Mit wem?«
»Mit mir.«
»Mußt du zum Arzt?« fragte die alte Frau beunruhigt.
Wie üblich nickte letztere nach dem Essen ein. Camille nahm ihr das Wollknäuel aus der Hand, zog die Decke höher und entfernte sich auf Zehenspitzen.
Sie zog sich in ihr Zimmer zurück, stellte den Hocker hundertmal um und inspizierte sorgfältig ihr Material. Ihr war übel.
Franck war gerade nach Hause gekommen. Er war dabei, die Waschmaschine zu leeren. Seit seiner Geschichte mit dem Jivaro-Pullover hängte er seine Wäsche eigenhändig auf und schwang wilde hausfrauliche Reden über Trockner, welche Fasern angriffen und Kragen ruinierten.
Ergreifend.
Er war es, der die Tür aufmachte:
»Ich will zu Camille.«
»Ganz am Ende, durch den Flur durch …«
Dann verzog er sich in sein Zimmer, und sie war ihm dankbar für die Zurückhaltung, die er ausnahmsweise einmal an den Tag legte.
Sie fühlten sich beide äußerst unwohl, aber aus unterschiedlichen Gründen.
Falsch.
Sie fühlten sich beide äußerst unwohl, und zwar aus demselben Grund: ihrem Bauch.
Er war es, der sie aus der Verlegenheit erlöste:
»Gut … Wollen wir? Hast du eine Kabine? Einen Paravent? Irgendwas in der Art?«
Sie hätte ihn umarmen können.
»Hast du gesehen? Ich habe die Heizung bis zum Anschlag aufgedreht. Frieren wirst du nicht …«
»Oh! Toll, dein Kamin!«
»Verdammt, ich hab das Gefühl, ich bin bei einem dieser Götter in Weiß, da krieg ich echt Schiß … Soll ich … soll ich auch den Slip ausziehen?«
»Wenn du ihn anbehalten willst, behalt ihn an.«
»Aber wenn ich ihn ausziehe, ist es besser.«
»Ja. Aber ich fang sowieso mit dem Rücken an.«
»Scheiße. Der ist bestimmt voller Pickel.«
»Mach dir keine Sorgen, mit nacktem Oberkörper in
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