Zusammen ist man weniger allein
der Gischt sind sie verschwunden, bevor du deinen ersten Misthaufen weggekarrt hast.«
»Du würdest eine hervorragende Kosmetikerin abgeben, weißt du das?«
»Ja, ja … Komm jetzt da hinten raus und setz dich.«
»Du hättest mich wenigstens ans Fenster setzen können. Damit ich etwas Ablenkung hab.«
»Das entscheide nicht ich.«
»Wer dann?«
»Das Licht. Und beschwer dich nicht, später wirst du stehen …«
»Wie lang?«
»Bis du umfällst.«
»Du wirst vor mir umfallen.«
»Mmm«, machte sie.
Mmm wie: Das sollte mich wundern …
Zunächst machte sie eine Menge Skizzen von allen Seiten. Ihr Bauch und ihre Hände wurden immer geschmeidiger.
Er hingegen verspannte sich immer mehr.
Wenn sie zu nahe kam, schloß er die Augen.
Hatte er Pickel? Sie sah sie nicht. Sie sah seine angespannten Muskeln, seine müden Schultern, seine Halswirbel, die unter dem Nacken hervorstachen, wenn er den Kopf nach vorne neigte, seine Wirbelsäule wie ein langer erodierter Bergkamm, seine Nervosität, seine Fieberhaftigkeit, seine Kieferknochen und seine vorstehenden Backenknochen. Die Höhlen um seine Augen, seine Kopfform, sein Brustbein, seinen hohlen Brustkorb, seine schmächtigen, von dunklen Punkten übersäten Arme. Das erschütternde Aderlabyrinth unter seiner hellen Haut und den Verlauf des Lebens auf seinem Körper. Ja. Das vor allem: den Stempel des Abgrunds, die Spuren der Ketten eines unsichtbaren Panzers und auch seine extreme Scham.
Nach etwa einer Stunde fragte er sie, ob er lesen dürfe.
»Ja. Solange ich mich dir annähere.«
»Hast du … Hast du noch gar nicht angefangen?«
»Nein.«
»Tja! Soll ich laut lesen?«
»Wenn du willst.«
Er knetete das Buch einen Moment, bevor er es auseinanderbog:
Ich spüre, daß Vater und Mutter instinktiv auf mich reagieren (das heißt nicht unbedingt verständig).
Ich werde zu Hause nur zögerlich empfangen, so wie man einen großen struppigen Hund zögerlich empfangen würde. Er wird mit seinen dreckigen Pfoten reintapsen – und außerdem ist er sehr struppig.
Er wird alle stören. Und er bellt sehr laut.
Kurzum – ein schmutziges Tier.
Gut – aber das Tier hat eine menschliche Geschichte und, auch wenn es nur ein Hund ist, eine menschliche Seele. Noch dazu eine menschliche Seele, die so sensibel ist, daß sie spürt, was man von ihm denkt, während ein gewöhnlicher Hund dazu nicht imstande ist.
Ach! Dieser Hund ist der Sohn unseres Vaters, aber wir haben ihn so oft frei laufen lassen, daß er zwangsläufig bissig wurde. Pah! Diese Kleinigkeit hat Vater schon vor Jahren vergessen, es besteht also keinerlei Anlaß, darüber zu reden.
Er räusperte sich.
Nat… hm, Pardon … Natürlich bereute der Hund insgeheim, hergekommen zu sein: die Einsamkeit in der Heide war weniger groß als in diesem Haus, trotz aller Freundlichkeit. Das Tier war in einem Anflug von Schwäche zu Besuch gekommen. Ich hoffe, man möge mir diese Schwäche verzeihen; ich selbst werde es vermeiden …
»Halt«, unterbrach sie ihn. »Aufhören. Bitte aufhören.«
»Stört es dich?«
»Ja.«
»Entschuldigung.«
»Okay. Das war’s. Jetzt kenne ich dich.«
Sie klappte ihren Block zu, und der Brechreiz überkam sie erneut. Sie hob das Kinn und warf den Kopf in den Nacken.
»Alles in Ordnung?«
»…«
»Gut. Jetzt drehst du dich zu mir um, machst die Beine auseinander und legst die Hände so hin.«
»Muß ich sie wirklich auseinandermachen, sicher?«
»Ja. Und deine Hand, weißt du, die … Du läßt dein Handgelenk baumeln und spreizt die Finger. Moment. Nicht bewegen.«
Sie kramte in ihren Sachen und zeigte ihm den Abdruck eines Gemäldes von Ingres.
»Genau so.«
»Wer ist dieser Dicke?«
»Louis-François Bertin.«
»Wer ist das?«
»Der Buddha der Bourgeoisie, gesättigt, begütert und triumphal. Das ist nicht von mir, sondern von Manet. Herrlich, was?«
»Und du willst, daß ich die gleiche Haltung einnehme?«
»Ja.«
»Hm. Die … die Beine also gespreizt. Meinst du so?«
»He … hör auf mit deinem Schwanz. Ist schon gut. Der interessiert mich ganz und gar nicht. Hier, schau her. Da ist er.«
»Oh!«
Kurze Silbe der Rührung und Enttäuschung.
Camille setzte sich und legte das Brett auf ihren Schoß. Sie stand wieder auf, versuchte es mit der Staffelei, was auch nicht klappte. Sie erregte sich, schimpfte mit sich, wußte genau, daß der ganze Mist nur dazu da war, die Leere zu vertreiben.
Schließlich stellte
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