Zusammen ist man weniger allein
morgen?«
»Nee.«
»Das ist gut, dann kannst du dich ausruhen.«
»Nee.«
Tolle Unterhaltung.
Er rückte näher an den Wohnzimmertisch, nahm eine CD-Hülle in die Hand und packte seinen Stoff aus:
»Soll ich dir eine drehen?«
»Nein, danke.«
»Stimmt ja, du bist ja eine ganz Solide.«
»Ich habe mich für etwas anderes entschieden«, sagte sie und griff nach ihrem Glas.
»Das ist ein Fehler.«
»Warum, ist Alkohol schlimmer als Drogen?«
»Ja. Und du kannst mir glauben, ich habe in meinem Leben schon einige Saufbrüder gesehen. Und außerdem ist das hier keine Droge. Das ist ein Leckerbissen, Quality Street für Große.«
»Wenn du das sagst …«
»Willst du nicht probieren?«
»Nein, ich kenn mich doch. Das würde mir bestimmt gefallen!«
»Na und?«
»Nichts und. Ich habe nur ein Problem mit der Voltzahl. Wie soll ich sagen? Ich habe oft das Gefühl, mir fehlt ein Knopf. Du weißt schon, so ein Teil, mit dem man die Lautstärke regelt. Ich gehe immer zu weit, in die eine wie in die andere Richtung. Ich finde nie das richtige Gleichgewicht, und es nimmt immer ein böses Ende, das ist mir so mit auf den Weg gegeben.«
Sie war von sich selbst überrascht. Warum vertraute sie sich ihm an? Ein leichter Rausch vielleicht?
»Wenn ich trinke, trink ich zuviel, wenn ich rauche, mach ich mich kaputt, wenn ich liebe, verlier ich den Verstand, und wenn ich arbeite, verausgabe ich mich völlig. Ich kann nichts normal machen, ruhig, ich …«
»Und wenn du haßt?«
»Das weiß ich nicht.«
»Ich dachte, du haßt mich?«
»Noch nicht«, lächelte sie, »noch nicht … Wirst schon sehen. Wenn es soweit ist, wirst du den Unterschied sehen.«
»Okay. Und jetzt? Ist deine Messe zu Ende?«
»Ja.«
»Was hören wir jetzt?«
»Eh … Ehrlich gesagt weiß ich nicht so recht, ob wir den gleichen Geschmack haben.«
»Vielleicht haben wir auch mal irgendwas gemeinsam. Warte. Laß mich nachdenken. Ich bin sicher, daß ich einen Sänger finde, der dir auch gefällt.«
»Nur zu.«
Er konzentrierte sich auf die Herstellung seines Joints. Als er fertig war, ging er in sein Zimmer, kam zurück und kauerte sich vor die Anlage.
»Was ist das?«
»Eine Weiberfalle.«
»Richard Cocciante?«
»Nix da.«
»Julio Iglesias, Luis Mariano? Frédéric François?«
»Nein.«
»Herbert Léonard?«
»Psst.«
»Ah! Ich weiß! Roch Voisine!«
I guess I’ll have to say … This album is dedicated to you …
»Neeeeeee.«
»Dooooooch.«
»Marvin?«
»He!« sagte er und schlug mit den Armen aus, »eine Weiberfalle. Hab ich doch gesagt.«
»Den liebe ich.«
»Ich weiß.«
»Sind wir so durchschaubar?«
»Nein, leider seid ihr überhaupt nicht durchschaubar, aber Marvin bringt’s jedesmal. Ich hab noch nie ein Mädchen getroffen, das bei ihm nicht schwach wird.«
»Noch nie?«
»Nie, nie, nie. Doch, natürlich! Aber ich erinnere mich nicht mehr. Die zählten nicht. Oder wir sind gar nicht erst soweit gekommen.«
»Hast du viele Mädchen gekannt?«
»Was meinst du mit gekannt?«
»He! Warum nimmst du sie wieder raus?«
»Ich hab mich geirrt, die wollt ich gar nicht auflegen.«
»Doch, laß sie laufen! Das ist meine Lieblings-CD! Du wolltest Sexual Healing , stimmt’s? Pfff, was seid ihr durchschaubar, alle miteinander. Kennst du wenigstens die Geschichte von diesem Album?«
»Welchem?«
» Here my dear . «
»Nein, die hier hör ich nicht so oft.«
»Soll ich sie dir erzählen?«
»Moment, ich mach’s mir erst bequem. Gib mir ein Kissen.«
Er zündete seinen Joint an und legte sich hin wie ein alter Römer, den Kopf in die Hand gestützt.
»Schieß los.«
»Okay. Aber ich bin nicht Philibert, ich geb dir einen Abriß in groben Zügen. Also Here my dear , das heißt ungefähr so viel wie: Hier nimm, meine Liebe.«
»Meine Liebe im Sinne von love ?«
»Nein, meine Liebe im Sinne von mein Schatz«, korrigierte sie ihn. »Marvins erste große Liebe war ein Mädchen namens Anna Gordy. Es heißt, die erste Liebe ist immer die letzte, ich weiß nicht, ob das stimmt, aber bei ihm ist klar, daß er nicht der wäre, der er ist, wenn er sie nicht getroffen hätte. Sie war die Schwester eines hohen Tiers in der Motown-Szene, des Gründers, glaube ich: Berry Gordy. Sie war in der Szene supergut eingeführt, und er scharrte ungeduldig mit den Füßen, quoll über vor Talent, er war gerade mal zwanzig und sie fast doppelt so alt, als sie sich kennenlernten. Also, Liebe auf den ersten
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