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Zusammen ist man weniger allein

Zusammen ist man weniger allein

Titel: Zusammen ist man weniger allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Gavalda
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nein. Ich … Ich fülle meine Skizzenhefte, nichts Dolles also, Kleinkram im Grunde.«
    »Macht es dir wenigstens Spaß?«
    »Ja.«
    Er frohlockte:
    »Aaah, wunderbar. Zeigst du mir die Sachen?«
    »Nein.«
    »Und wie geht es deiner Mutter?« fiel die ach so diplomatische Mathilde ein. »Immer noch am Rande des Abgrunds?«
    »Eher auf dem Grund.«
    »Dann ist ja alles in Ordnung, oder?«
    »Bestens«, lächelte Camille.
     
    Den restlichen Abend schwangen sie große Reden über die Malerei. Pierre kommentierte Vuillards Arbeit, suchte nach Ähnlichkeiten, zog Parallelen und verlor sich in unendlichen Exkursen. Er stand mehrmals auf, um in seiner Bibliothek den Beweis für seine scharfen Analysen zu holen, und nach einiger Zeit war Camille ganz an den Rand des Kanapees gerückt, um Maurice (Denis), Pierre (Bonnard), Félix (Valloton) und Henri (de Toulouse-Lautrec) ihren Platz zu überlassen.
    Als Händler war er anstrengend, doch als aufgeschlossener Kunstliebhaber eine wahre Freude. Natürlich erzählte er auch dummes Zeug – wer tat das nicht in der Kunst? –, aber er drückte es wunderschön aus. Mathilde gähnte, und Camille leerte die Flasche Champagner. Piano ma sano.
     
    Als sein Gesicht schon fast hinter den Rauchschwaden der Zigarre verschwunden war, bot er ihr an, sie nach Hause zu fahren. Sie
    lehnte ab. Sie hatte zuviel gegessen und brauchte einen langen Spaziergang.
     
    Die Wohnung war leer und kam ihr viel zu groß vor. Sie zog sich in ihr Zimmer zurück und verbrachte die zweite Hälfte der Nacht mit der Nase in ihrem Geschenk.
     
    Sie schlief am Vormittag ein paar Stunden und gesellte sich früher als sonst zu ihrer Kollegin, es war Heiligabend, und die Büros leerten sich um fünf Uhr. Sie arbeiteten schnell und schweigend.
    Samia ging als erste, und Camille blieb noch einen Moment, um mit dem Wachmann zu scherzen:
    »Und der Bart und die Mütze, ist das Pflicht?«
    »Hm, nein, das war eine Initiative von mir, um Eindruck zu schinden.«
    »Und hat es funktioniert?«
    »Pff, von wegen. Den Leuten ist das schnurzegal. Nur meinen Hund hat das beeindruckt. Er hat mich nicht erkannt und mich angeknurrt, dieser Trottel. Ich hatte ja schon blöde Hunde, da kann ich ein Lied von singen, aber der hier schießt den Vogel ab.«
    »Wie heißt er?«
    »Matrix.«
    »Eine Hündin?«
    »Nein, warum?«
    »Eh … nur so. Okay, tschüß dann. Fröhliche Weihnachten, Matrix«, sagte sie zu dem dicken Dobermann, der neben ihren Füßen lag.
    »Wart nicht darauf, daß er dir antwortet, der versteht gar nix, sag ich dir.«
    »Nee, nee«, antwortete Camille lachend, »darauf warte ich nicht.«
    Dieser Typ war Laurel und Hardy in einer Person.
     
    Es war kurz vor zweiundzwanzig Uhr. Elegant gekleidete Menschen liefen in alle Richtungen, den Arm voller Päckchen. Den Frauen schmerzten in ihren Lackschühchen schon die Füße, die Kinder liefen zwischen den Betonpollern im Zickzack, und die Herren warfen vor den Sprechanlagen einen Blick in ihre Adreßbücher.
     
    Amüsiert verfolgte Camille das Treiben. Sie hatte es nicht eilig und reihte sich vor einem edlen Feinkosthändler in die Schlange, um sich ein gutes Abendessen zu gönnen. Oder vielmehr eine gute Flasche. Was den Rest anging, war sie ziemlich unentschlossen. Schließlich zeigte sie dem Verkäufer ein Stück Ziegenkäse und zwei Nußbrötchen. He, es sollte ja vor allem eine Grundlage für ihr Fläschchen sein.
     
    Sie öffnete die Flasche und stellte sie neben den Heizkörper, um sie zu temperieren. Zuerst war sie selbst dran. Sie ließ sich Badewasser einlaufen und blieb über eine Stunde in der Wanne, bis zur Nase im heißen Wasser. Sie zog einen Schlafanzug an, dicke Strümpfe und entschied sich für ihren Lieblingspullover. Einen sündhaft teuren Kaschmirpullover, Überbleibsel aus vergangenen Tagen. Sie packte Francks Stereoanlage aus, baute sie im Wohnzimmer auf, richtete sich ein Tablett, machte alle Lichter aus und rollte sich unter der Daunendecke auf dem alten Kanapee zusammen.
     
    Sie überflog das Heftchen mit den Titeln, das Nisi Dominus befand sich auf der zweiten CD. Tja, die Vesper vor Christi Himmelfahrt war ja nicht wirklich die passende Messe, außerdem würde sie die Psalmen in der falschen Reihenfolge hören, der reinste Blödsinn.
     
    Aber na und?
    Na und?
    Sie drückte auf den Knopf der Fernbedienung und schloß die Augen: Sie war im siebten Himmel.
    Allein in dieser riesigen Wohnung, ein Glas Nektar in der Hand, hörte sie die

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