Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zusammen ist man weniger allein

Zusammen ist man weniger allein

Titel: Zusammen ist man weniger allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Gavalda
Vom Netzwerk:
schaffen. Es ist besser, du verschwindest. Aber laß mich noch zwei Sachen sagen, bevor ich dir alles Gute wünsche: Erstens, das mit den Intellektuellen. Es ist leicht, sich über sie lustig zu machen. Ja, sehr leicht. Häufig sind sie nicht besonders muskulös, und sie prügeln sich auch nicht gern. Das Stampfen von Stiefeln, Medaillen, große Limousinen kann sie nicht groß bewegen, es ist also nicht sehr schwer. Es genügt, ihnen ihr Buch zu entreißen, ihre Gitarre, ihren Stift oder ihren Fotoapparat, und schon sind sie zu nichts mehr zu gebrauchen, diese unbeholfenen Tolpatsche. Übrigens, das ist das erste, was die meisten Diktatoren machen: Brillen kaputtreten, Bücher verbrennen oder Konzerte verbieten, das kostet sie nicht viel und kann ihnen in der Folge viele Unannehmlichkeiten ersparen. Aber du siehst, wenn intellektuell sein heißt, sich zu bilden, neugierig zu sein und aufmerksam, zu bewundern, erschüttert zu sein, verstehen zu wollen, wie alles zusammenhängt, damit man etwas weniger dumm ins Bett geht als am Abend zuvor, dann fordere ich dies für mich ein: Nicht nur bin ich dann eine Intellektuelle, ich bin auch noch stolz darauf. Sehr stolz sogar. Und weil ich eine Intellektuelle bin, wie du sagst, kann ich nicht umhin, deine Motorradzeitschriften zu lesen, die auf dem Klo rumliegen, und ich weiß, daß die neue BMW R 1200 GS ein kleines elektronisches Teil hat, um mit billigem Benzin zu fahren, jawohl!«
    »Was faselst du denn da?«
    »Und intellektuell, wie ich bin, habe ich neulich deine Comics von Joe Bar Team stibitzt und den ganzen Nachmittag glucksend darüber verbracht. Zweitens, bist du grad der Richtige, um uns eine Predigt zu halten, mein Lieber. Du glaubst, deine Küche sei die wahre Welt? Von wegen. Im Gegenteil. Ihr kommt ja nie raus, ihr seid immer unter euch. Was kennst du von der Welt? Nichts. Seit mehr als fünfzehn Jahren lebst du eingesperrt in deinen unverrückbaren Arbeitszeiten, deiner kleinen billigen Hierarchie und deinem täglichen Gerödel. Vielleicht hast du dir deine Arbeit deshalb ausgesucht? Um nie den Bauch deiner Mutter zu verlassen und die Sicherheit zu haben, daß du immer im Warmen bist und genug zu essen um dich hast. Wer weiß? Du arbeitest mehr und härter als wir, das ist offensichtlich, aber wir, intellektuell, wie wir sind, wir halsen uns die Welt auf. Putt putt, wir steigen jeden Morgen herab. Philibert in seinen Laden und ich in meine Etagen, und sei ganz unbesorgt, ob wir uns damit auseinandersetzen – wir setzen uns damit auseinander. Und dein Geschwafel vom Überleben … Life is a jungle, struggle for life und diesen ganzen Schwachsinn, den kennen wir auswendig. Wir könnten dir darin sogar Unterricht geben, wenn du willst. So und jetzt guten Abend, gute Nacht und frohes neues Jahr.«
     
    »Pardon?«
    »Nichts. Ich hab nur gesagt, daß du nicht sehr plaisirlich bist.«
    »Nein, ich bin elegisch.«
    »Was heißt das?«
    »Schlag in einem Wörterbuch nach, dann weißt du’s.«
    »Camille?«
    »Ja.«
    »Sag mir was Nettes.«
    »Warum?«
    »Damit das Jahr gut anfängt.«
    »Nein. Ich bin keine Jukebox.«
    »Komm schon.«
    Sie drehte sich um:
    »Laß die Geschirrtücher und das Frottee in derselben Schublade, das Leben ist viel netter mit ein bißchen Chaos.«
    »Und ich? Willst du nicht auch, daß ich dir was Nettes sage, damit das Jahr gut anfängt?«
    »Nein. Doch. Schieß los.«
    »Weißt du … Deine Toasts, die waren absolut phantastisch …«
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    TEIL 3
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    1
     
     
     
    Es war kurz nach elf, als er am nächsten Morgen in ihr Zimmer kam. Sie kehrte ihm den Rücken zu. Sie saß am Fenster, noch im Kimono.
    »Was machst du? Malst du?«
    »Ja.«
    »Was malst du?«
    »Den ersten Tag des Jahres.«
    »Zeig mal.«
    Sie hob den Kopf und biß sich von innen auf die Wangen, um nicht zu lachen.
    Er trug einen extrem unmodischen Anzug, Stil Hugo Boss der achtziger Jahre, etwas zu groß und etwas zu glänzend, mit Schulterpolstern à la Goldorak, ein Hemd aus senffarbener Viskose und eine bunte Krawatte. Die Socken waren auf das Hemd abgestimmt, und die Schuhe aus salmiakbehandeltem Spaltleder ließen ihn fürchterlich leiden.
     
    »Was ist?« grunzte er.
    »Nein, nichts, du bist … Du siehst richtig elegant aus.«
    »Sehr witzig. Das ist, weil ich meine Großmutter zum Essen

Weitere Kostenlose Bücher