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Zusammen ist man weniger allein

Zusammen ist man weniger allein

Titel: Zusammen ist man weniger allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Gavalda
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hier«, stöhnte er.
    Sie lächelte:
    »Sehr gut.«
    »Von wegen, seit drei Stunden such ich nach dem passenden Reim. Ich hab schon überlegt: 2004 bin ich voller Bier, aber du würdest wahrscheinlich meinen, daß ich gleich kotze …«
    »Was für ein wunderbarer Dichter du bist.«
    Er schwieg. Er war zu müde, um mitzuspielen.
     
    »Leg uns noch mal so schöne Musik auf wie neulich.«
    »Nein. Wenn du schon traurig bist, bringt das nichts.«
    »Wenn du deine Castafiore auflegst, bleibst du dann noch ein bißchen?«
    »Eine Zigarettenlänge.«
    »Einverstanden.«
    Und zum hundertachtundzwanzigsten Mal in dieser Woche legte Camille das Nisi Dominus von Vivaldi auf.
    »Worum geht’s da?«
    »Moment, ich sag’s dir gleich. Den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf.«
    »Genial.«
     
    »Das ist schön, oder?«
    »Keine Aaahnung«, gähnte er. »Davon versteh ich nix.«
    »Witzig, das hast du letztens schon bei Dürer gesagt. Aber das kann man auch nicht lernen! Es ist schön … fertig, aus.«
    »Doch, doch. Ob du’s glaubst oder nicht, das kann man lernen.«
    »…«
    »Bist du gläubig?«
    »Nein. Das heißt, ja. Wenn ich diese Art von Musik höre, wenn ich eine schöne Kirche betrete oder wenn ich ein Gemälde sehe, das mich berührt, eine Mariä Verkündigung zum Beispiel, schwillt mir das Herz so sehr, daß ich das Gefühl habe, an Gott zu glauben, aber damit liege ich daneben: Ich glaube an Vivaldi. An Vivaldi, an Bach, an Händel oder an Fra Angelico. Sie sind die eigentlichen Götter. Der andere, der Alte, ist nur ein Vorwand. Das ist übrigens meiner Meinung nach das einzig Gute an ihm: daß er stark genug war, um sie alle zu solchen Meisterwerken zu inspirieren.«
    »Ich mag es, wenn du mir was erzählst. Dann hab ich das Gefühl, intelligenter zu werden.«
    »Hör auf.«
    »Doch, das stimmt.«
    »Du hast zu viel getrunken.«
    »Nee, eher zu wenig.«
    »Hier, hör zu. Das ist eine schöne Stelle … viel fröhlicher. Das ist es übrigens, was mir an diesen Messen so gefällt: die fröhlichen Momente, wie das Gloria und all so was, die ziehen dich immer aus dem Wasser, wenn du grad abgesoffen bist. Wie im richtigen Leben.«
     
    Langes Schweigen.
     
    »Schläfst du?«
    »Nein, ich warte, bis deine Zigarette zu Ende ist.«
    »Weißt du, ich …«
    »Was?«
    »Ich finde, du solltest bleiben. Ich finde, alles, was du mir im Zusammenhang mit meinem Auszug über Philibert gesagt hast, gilt auch für dich. Ich glaube, daß er sehr traurig wäre, wenn du gehst, und daß du sein fragiles Gleichgewicht gleichermaßen austarierst.«
    »Eh … den letzten Satz, könntest du den noch mal auf französisch wiederholen?«
    »Bleib hier.«
    »Nein … Ich … ich bin zu anders als ihr. Man packt nicht Geschirrtücher mit Frottee zusammen, wie meine Oma sagen würde.«
    »Wir sind verschieden, das stimmt, aber bis wohin? Vielleicht sehe ich es ja falsch, aber ich habe den Eindruck, wir sind ein gutes Team Schwergebeutelter, oder?«
    »Was du nicht sagst.«
    »Und außerdem, was soll das heißen, verschieden? Ich, die ich nicht mal ein Ei kochen kann, habe den ganzen Tag in der Küche verbracht, und du, der du sonst nur Techno hörst, schläfst zu Vivaldi ein. Das ist Blödsinn, deine Geschichte von den Geschirrtüchern und dem Frottee. Was die Leute davon abhält, zusammenzuleben, ist ihre Dummheit, nicht ihre Verschiedenheit. Im Gegenteil, ohne dich wüßte ich heute nicht, wie ein Blatt Portulak aussieht.«
    »Was immer dir das bringt.«
    »Das ist auch Quatsch. Warum sollte es mir ›was bringen‹? Warum muß sich denn immer alles lohnen? Mir ist scheißegal, ob es mir was bringt oder nicht, es macht mir Spaß zu wissen, daß es so was gibt …«
    »Da siehst du, wie verschieden wir sind. Du oder Philou, ihr seid nicht in der wirklichen Welt, ihr habt keine Ahnung vom Leben, wie man sich durchschlagen muß, um zu überleben und so. Ich hab vor euch noch nie irgendwelche Intellektuellen gekannt, aber ihr seid genauso, wie ich sie mir immer vorgestellt habe.«
    »Und wie hast du sie dir vorgestellt?«
    Er wedelte mit den Händen:
    »So: Putt putt … Oh ihr kleinen Vögelein und ihr schönen Schmetterlinge! Putt putt, was seid ihr niedlich. Lesen Sie doch noch ein Kapitel, mein Lieber? Aber ja doch, meine Liebe, zwei sogar! Dann bleibt es mir erspart, hinabzusteigen. Oh! Nein! Steigen Sie nicht hinab, dort unten stinkt es zu sehr!«
     
    Sie stand auf und machte die Musik aus.
    »Du hast recht, wir werden es nicht

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