Zusammen ist man weniger allein
anschaust, dann weißt du Bescheid.«
»Das seh ich genauso. Wo bist du überall gewesen?«
»Nirgendwo.«
»Du bist noch nie aus Frankreich rausgekommen?«
»Ich war zwei Monate in Schweden, Koch bei der Botschaft. Aber das war im Winter, ich hab nix gesehen. Dort kannst du nirgendwo was trinken. Es gibt keine Bars, nix.«
»Hm, und der Bahnhof? Und die Märkte?«
»Ich hab vom Tag nichts gesehen.«
»War es gut? Was grinst du?«
»Nix.«
»Sag schon.«
»Nee.«
»Warum nicht?«
»Darum.«
»Ach so, es steckt eine Frau dahinter.«
»Nein.«
»Lügner, das seh ich doch an deinem … deiner Nase, die immer länger wird.«
»Okay, wollen wir?« fragte er und zeigte auf die Bahnsteige.
»Erst erzählst du’s mir.«
»Da war nix. Nix Ernstes.«
»Du hast mit der Frau vom Botschafter geschlafen, stimmt’s?«
»Nein.«
»Mit seiner Tochter?«
»Ja! Genau! Bist du jetzt zufrieden?«
»Sehr zufrieden«, bestätigte sie ihm kokett, »war sie süß?«
»Eine richtige Vogelscheuche.«
»Neeeiin?«
»Doch. Nicht mal ein Schwede, der sich Samstagabends in Dänemark mit Nachschub versorgt und zu wie eine Haubitze zurückkommt, hätte sie gewollt.«
»Was war’s denn dann? Mildtätigkeit? Körperhygiene?«
»Grausamkeit.«
»Erzähl.«
»Nee. Nur wenn du mir sagst, daß du dich geirrt hast und die Blonde von vorhin doch die Frau von dem Typen war.«
»Ich hab mich geirrt: Die Nutte mit dem Fischottermantel war wirklich seine Frau. Sie sind seit sechzehn Jahren verheiratet, haben vier Kinder, sie lieben sich, und jetzt grad macht sie sich im Fahrstuhl zum Parkhaus an seinem Hosenlatz zu schaffen und behält dabei die Uhr im Auge, weil sie vorm Losfahren noch ein Kalbsragout in den Ofen geschoben hat und ihn gerne befriedigen würde, bevor der Lauch verbrannt ist.«
»Pah! Für Kalbsragout nimmt man keinen Lauch!«
»Nicht?«
»Das verwechselst du mit Rindfleischsuppe.«
»Und deine Schwedin?«
»Das war keine Schwedin, sondern eine Französin. Eigentlich war ich scharf auf ihre Schwester. Eine verwöhnte Prinzessin. Eine kleine Quasselstrippe, die rumlief wie ein Spice Girl, und heiß wie ein glühendes Eisen. Sie war genauso angeödet, denk ich mir. Und um sich die Zeit zu vertreiben, hat sie sich mit ihrem Arsch bei uns auf den Herd gesetzt. Hat alle umgarnt, ihren Finger in meine Töpfe gesteckt, ihn langsam abgeleckt und mich von unten her angeschaut. Du kennst mich ja, ich bin da nicht heikel, irgendwann hab ich sie mir im Zwischengeschoß geschnappt, und sie fängt an zu quieken, die dumme Ziege. Daß sie es ihrem Vater erzählen würde und so. Mannomann, ich bin echt nicht heikel, aber ich mag keine Frauen, die Männer scharfmachen. Darauf hab ich ihre große Schwester flachgelegt, damit sie das Leben kennenlernt.«
»Gegenüber der Häßlichen ist das echt widerlich!«
»Gegenüber den Häßlichen ist alles widerlich, das weißt du.«
»Und dann?«
»Bin ich gegangen.«
»Warum?«
»…«
»Diplomatischer Zwischenfall?«
»Könnte man so nennen. Los, gehen wir.«
»Ich mag es auch gern, wenn du mir Geschichten erzählst.«
»Von wegen Geschichten.«
»Hast du noch mehr solche Schoten auf Lager?«
»Nee. In der Regel bemüh ich mich, die Hübschen abzukriegen!«
»Wir sollten noch etwas weiter gehen«, stöhnte sie, »wenn er da vorn die Treppe nimmt und direkt zum Taxistand geht, entwischt er uns.«
»Mach dir keine Sorgen. Ich kenn doch meinen Philou. Der läuft immer geradeaus, bis er gegen einen Pfosten knallt, dann entschuldigt er sich und guckt, wo der Ausgang ist.«
»Sicher?«
»Na klar. He, ist gut jetzt. Bist du verliebt oder was?«
»Nee, aber du weißt doch, wie das ist. Du steigst mit deinem ganzen Kram aus dem Zug. Du bist ziemlich geschafft, mit deinen Kräften am Ende. Du erwartest niemanden und Rums, steht einer vor dir auf dem Bahnsteig und wartet auf dich. Hast du nie davon geträumt?«
»Ich träume nicht.«
»Ich träume nicht«, äffte sie das Großmaul nach, »ich träume nicht, und ich mag keine Frauen, die Männer scharfmachen. Jetzt weißt du Bescheid, Mädchen.«
Er war getroffen.
»Hier, guck mal«, sprach sie weiter, »ich glaube, da hinten ist er.«
Er stand am Ende des Bahnsteigs, und Franck hatte recht: Er war der einzige ohne Jeans, Turnschuhe, Tasche oder Rollkoffer. Er hielt sich gerade, als hätte er einen Stock verschluckt, ging langsam, hielt in der einen Hand einen großen Lederkoffer, um den er einen Militärgurt
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