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Zusammen ist man weniger allein

Zusammen ist man weniger allein

Titel: Zusammen ist man weniger allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Gavalda
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einen Weg zu ihr gebahnt, diese kleine Gewißheit im Taschenformat – und vielleicht hatte sie ihr sogar der alte Marquis ins Ohr geflüstert? –, daß das alles, diese Eleganz, diese mit dem Tod ringende Welt, dieses kleine Museum der Künste und bürgerlichen Traditionen, nur auf ihr Kommen, ihren Blick, ihre Sanftmut und ihre entzückte Feder gewartet hatte, bevor er sich dazu entschloß, für immer zu verschwinden.
     
    Diese skurrile Idee kam und ging, verschwand am Tag, häufig verscheucht von lawinenartigem Hohngelächter: Ach, du bedauernswertes Geschöpf, wohin soll das führen? Und wer bist du überhaupt? Und wen sollte das alles interessieren, was meinst du?
    Nachts hingegen. Ja, nachts! Wenn sie von ihren gräßlichen Türmen zurückkehrte, wo sie die meiste Zeit vor einem Eimer gekauert und sich die tropfende Nase mit einem Nylonärmel abgewischt hatte, wenn sie sich zehnmal, hundertmal gebückt hatte, um Plastikbecher und sinnlose Zettel wegzuwerfen, wenn sie kilometerlang fahlen Tunneln gefolgt war, wo geschmacklose Graffiti dergleichen nicht überdecken konnten: Und er? Was fühlt er, wenn er bei euch ist? , wenn sie ihren Schlüssel auf den Konsoltisch in der Diele legte und auf Zehenspitzen die große Wohnung durchquerte, konnte sie es nicht überhören: »Camille, Camille«, knarrte das Parkett, »Halt uns fest«, flehte der ganze Trödelkram, »Sapperlot! Warum die Tupperschüsseln und nicht wir?«, erboste sich der alte General, der auf dem Totenbett abgelichtet worden war. »Das stimmt!« wiederholten die Kupferknöpfe und das schäbige Seidenripsband im Chor, »warum?«.
     
    Dann setzte sie sich im Dunkeln hin und drehte sich langsam eine Zigarette, um sie alle zu beruhigen. Erstens sind mir eure Tupperschüsseln egal, zweitens bin ich da, ihr braucht mich bloß um zwölf zu wecken, ihr Witzbolde.
    Und sie dachte an den Prinzen Salina, der allein zu Fuß von einem Ball zurückgekehrt war. Der Prinz hatte gerade ohnmächtig dem Untergang seiner Welt beigewohnt und flehte beim Anblick des blutigen Gerippes eines Ochsen und der Gemüseabfälle auf der Straße den Himmel an, nicht mehr so lange zu warten.
     
    Der Typ aus dem fünften Stock hatte ihr eine Schachtel Mon Chéri hingestellt. Spinner, kicherte Camille, schenkte sie ihrer Lieblingschefin und ließ Kater Karlo sich in ihrem Namen bedanken: »Tja, danke, aber sagen Sie – Sie hätten nicht zufällig welche mit Likör?« Bin ich witzig, seufzte sie und legte ihre Zeichnung hin, bin ich witzig.
     
    In dieser Gemütsverfassung, verträumt und mokant, einen Fuß in Der Leopard , den anderen im Dreck, stieß sie die Tür zu dem kleinen Kämmerchen hinter den Fahrstühlen auf, wo sie ihre Kanister mit Javelwasser und den ganzen anderen Kram aufbewahrten.
     
    Sie war die letzte und fing an, sich im Halbdunkel auszuziehen, als sie merkte, daß sie nicht allein war.
    Ihr Herz hörte auf zu schlagen, und sie spürte etwas Warmes über ihre Beine laufen: Sie hatte sich gerade naß gemacht.
    »Ist da … Ist da jemand?« stotterte sie und tastete auf der Suche nach dem Lichtschalter die Wand ab.
     
    Er saß auf dem Boden, panisch, wirrer Blick, die Augen hohl vom Stoff oder vom Entzug, diese Gesichter kannte sie nur zu gut. Er rührte sich nicht, atmete nicht mehr und legte der Hundeschnauze mit den Händen einen Maulkorb an.
    So verharrten sie einige Sekunden, musterten einander schweigend, bis sie begriffen, daß keiner von ihnen um sein Leben ban
    gen mußte, und als er seine rechte Hand löste, um einen Finger auf den Mund zu legen, tauchte Camille ihn wieder in Dunkelheit.
    Ihr Herz schlug wieder. Wie wild. Sie griff nach ihrem Mantel und ging rückwärts hinaus.
    »Der Code?« stöhnte er.
    »P… Pardon?«
    »Der Türcode zum Gebäude?«
    Sie wußte ihn nicht mehr, stammelte etwas, nannte ihm den Zahlencode, tastete sich an der Wand entlang zum Ausgang und fand sich auf der Straße wieder, keuchend und schweißüberströmt.
     
    Sie begegnete dem Wachmann:
    »Nicht sehr warm heute, oder?«
    »…«
    »Alles in Ordnung? Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen.«
    »Müde.«
     
    Sie war völlig durchgefroren, schlug die Mantelschöße über der durchnäßten Trainingshose übereinander und lief in die falsche Richtung. Als sie endlich begriff, wo sie sich befand, folgte sie der weißen Linie, um ein Taxi anzuhalten.
    Es war ein luxuriöser Kombi, der die Innen- und Außentemperaturen anzeigte (+21°, -3°). Sie spreizte die

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