Zusammen ist man weniger allein
endlich den Mund.
Philibert, der das Trinken nicht gewöhnt war, lachte unentwegt und ohne Grund. Wann immer er sein Glas abstellte, wischte er sich den Mund und äffte den Dorfpfarrer bei sich zu Hause nach, indem er rätselhafte und gequälte Predigten schwang, bevor er mit folgenden Worten schloß: »Aaa-men, ach, bin ich glücklich, mit euch zusammenzusein.« Von den beiden bedrängt, berichtete er die Neuigkeiten über sein kleines feuchtes Reich, seine Familie, die Überschwemmungen, Silvester bei seinen rassistischen Vettern und erzählte nebenbei von zahlreichen grauenhaften Sitten und Gebräuchen mit einem trockenen Humor, der sie begeisterte.
Vor allem Franck riß die Augen auf und wiederholte alle zehn Sekunden: »Nein? Nein! Nein.«
»Die sind seit zwei Jahren verlobt, sagst du, und haben noch nie … Hör auf, das glaub ich nicht.«
»Du solltest Theater spielen«, bedrängte ihn Camille, »ich bin sicher, du wärst ein exzellenter Schauspieler. Du kannst mit Worten umgehen und erzählst so geistreich, so überlegen. Du solltest den verrückten Charme des alten französischen Adels oder so was in der Richtung zum Thema machen.«
»Mei… meinst du?«
»Absolut! Was, Franck? Aber, hattest du mir nicht von einer Frau in deinem Museum erzählt, die dich mit zu ihren Proben nehmen wollte?«
»Das … das stimmt … aber, aber ich sto… stottere zuviel.«
»Nein, wenn du erzählst, sprichst du ganz normal.«
»Mei… meint ihr?«
»Ja. Los! Das ist dein guter Vorsatz fürs neue Jahr!« Franck prostete ihm zu. »Auf die Bretter, die die Welt bedeuten, Monseigneur! Und beschwer dich nicht, denn deiner ist nicht schwer zu halten …«
Camille schälte ihnen die Krebse, knackte die Beine, die Scheren und den Panzer und richtete für alle herrliche Häppchen her. Seit ihrer Kindheit liebte sie die Gerichte mit Meeresfrüchten, weil es dabei viel zu tun und wenig zu essen gab. Mit einem Berg aus zerstoßenem Eis zwischen sich und ihren Gesprächspartnern konnte sie während der Mahlzeit alle hinters Licht führen, ohne daß sich jemand einmischte oder ihr auf den Keks ging. Und auch heute abend, obwohl sie gerade dabei war, eine zweite Flasche zu bestellen, hatte sie ihre Portion bei weitem nicht verspeist. Sie hatte sich die Finger abgewischt, eine Scheibe Roggenbrot geschnappt, sich auf der Bank zurückgelehnt und die Augen geschlossen.
Klick.
Keiner bewegt sich.
Den Moment festgehalten.
Glück pur.
Franck erzählte Philibert etwas von Vergasern, und dieser lauschte geduldig und stellte einmal mehr seine makellose Erziehung und seine große Güte unter Beweis:
»Gewiß, 89 Euro, das ist eine Ausgabe«, stimmte er voller Ernst zu, »und … was hält dein Freund davon … der dicke …«
»Der dicke Titi?«
»Ja!«
»Ach, weißt du, Titi ist das egal. Solche Zylinderköpfe kann er ohne Ende haben.«
»Natürlich«, antwortete er aufrichtig betrübt, »der dicke Titi ist nun mal der dicke Titi.«
Er machte sich nicht lustig. Nicht das geringste Anzeichen von Ironie. Der dicke Titi ist nun mal der dicke Titi, mehr gibt es dazu nicht zu sagen.
Camille fragte, wer sich mit ihr flambierte Crêpes teilen würde. Philibert zog ein Sorbet vor, und Franck war auf der Hut:
»Moment, zu welcher Sorte Frau gehörst du? Zu der, die behauptet, wir teilen, und sich dann den Bauch vollschlägt und mit den Wimpern klimpert? Zu der, die sagt, wir teilen, und die den Kuchen dann mit langen Zähnen ißt? Oder zu der, die sagt, wir teilen, und die dann wirklich teilt?«
»Bestellen wir, dann wirst du sehen …«
»Mmmm, lecker.«
»Nee, die sind aufgewärmt, zu dick und zu viel Butter. Ich mach dir mal welche, dann siehst du den Unterschied.«
»Wann immer du willst.«
»Wann immer du brav bist.«
Philibert spürte sehr wohl, daß sich der Wind gedreht hatte, aber er konnte nicht recht erkennen, wohin.
Er war nicht der einzige.
Und das war das Amüsante daran.
Da Camille darauf bestand, und was Frau will etc. sprachen sie über Geld: Wer was bezahlte, wann und wie? Wer übernahm den Einkauf? Wieviel Weihnachtsgeld für die Concierge? Welche Namen am Briefkasten? Sollten sie sich einen Telefonanschluß legen lassen, und sollten sie sich von den lästigen Briefen wegen der Rundfunkgebühren beeindrucken lassen? Und der Haushalt? Jeder sein Zimmer, okay, aber warum mußten immer sie oder Philou die Küche und das Badezimmer machen? Apropos Badezimmer, wir brauchen
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