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Zusammen ist man weniger allein

Zusammen ist man weniger allein

Titel: Zusammen ist man weniger allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Gavalda
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vergeblich auf ihn. Keine Nachricht. Vom Wachmann, mit dem sie neuerdings gelegentlich Schwätzchen hielt (der rechte Hoden von Matrix war nicht nach unten gerutscht, oh weh), erfuhr sie auch nicht mehr. Dabei wußte sie, daß er in der Nähe war. Wenn sie hinter den Kanistern mit Putzmitteln ein gut gefülltes Einkaufsnetz abstellte, mit Brot, Käse, Salat, Fertiggerichten, Bananen und Hundefutter, verschwand es systematisch. Niemals ein Hundehaar, niemals ein Krümel und nicht der geringste Geruch. Für einen Junkie war er ziemlich gut organisiert, fand sie, so sehr, daß sie hinsichtlich des Empfängers ihrer Spenden sogar Zweifel hegte. Am Ende fütterte der andere Schwachkopf heimlich seinen einhodigen Hund damit. Sie sondierte ein wenig das Terrain, aber nein, Matrix fraß nur Kroketten, die mit Vitamin B 12 und einem Eßlöffel Rizinusöl für das Fell angereichert waren. Fertiggerichte waren ungenießbares Zeug. Warum sollte man seinem Hund etwas geben, das man selbst nicht essen würde?
    Stimmt, warum eigentlich?
    »Aber für die Kroketten gilt das doch auch, oder nicht? Die würdest du doch auch nicht essen.«
    »Natürlich eß ich die!«
    »Ja, ja.«
    »Wirklich!«
    Das schlimmste war, sie glaubte ihm. Der Einhodige und der Einhirnige, wie sie in ihrer überheizten Hütte mitten in der Nacht vor einem Porno saßen und Hähnchenkroketten futterten, das paßte. Sehr gut sogar.
     
    So vergingen einige Tage. Manchmal kam er auch nicht. Das Baguette war dann hart, und die Zigaretten lagen noch da. Manch
    mal kam er vorbei und nahm nur das Hundefutter raus. Zuviel Stoff oder zu wenig, um sich selbst einem Schmaus hinzugeben. Manchmal war sie es, die mit den Lieferungen nicht nachkam. Camille machte sich deswegen keinen Kopf. Ein kurzer Blick in das Putzräumchen, um nachzusehen, ob sie ihre Einkaufstasche leeren mußte, und fertig.
     
    Sie hatte andere Sorgen.
     
    In der Wohnung kein Problem, da lief es gut, Charta hin oder her, Myriam hin oder her, PLEMPLEM hin oder her, jeder lebte seinen täglichen Trott, ohne die anderen zu stören. Morgens grüßte man sich, und abends nach der Rückkehr ging man brav seinen Süchten nach. Shit, Gras, Wein, Inkunabeln, Marie-Antoinette oder Heineken, jedem seinen Trip und Marvin für alle.
     
    Tagsüber malte sie, und wenn er da war, las Philibert ihr vor oder kommentierte die Familienalben:
    »Das hier ist mein Urgroßvater. Der junge Mann neben ihm ist sein Bruder, Onkel Élie, das vor ihnen sind ihre Foxterrier. Sie organisierten Hunderennen, und der Herr Pfarrer, den du hier an der Ziellinie siehst, bestimmte den Sieger.«
    »Sie haben sich wohl nicht gelangweilt?«
    »Das war auch gut so. Zwei Jahre später zogen sie an die Ardennenfront, sechs Monate darauf waren beide tot.«
     
    Nein, die Probleme hatte sie bei der Arbeit. Zuerst hatte der Typ aus dem fünften Stock sie eines Abends angequatscht und gefragt, wo ihr Staubwedel sei. Wuff, wuff, er war sichtlich stolz auf seinen Witz, verfolgte sie über die ganze Etage und wiederholte ständig: »Ich bin sicher, daß Sie es sind! Ich bin sicher, daß Sie es sind!« Zieh Leine, du Idiot, du bist mir im Weg.
    Nein, das war meine Kollegin, sagte sie schließlich und zeigte auf Super Josy, die gerade ihre Krampfadern zählte.
    Game over.
     
    Zweitens konnte sie eben die Bredart nicht länger ertragen.
    Sie war strohdumm, hatte ein bißchen Macht und nutzte sie gnadenlos aus (Vorarbeiterin einer Putzkolonne von Proclean war schließlich nicht das Pentagon, oder?), schwitzte, hatte eine feuchte Aussprache, stibitzte ständig die Kappen der Bics, um Fleischstückchen aus ihren Backenzähnen zu entfernen, und gab in jeder Etage einen rassistischen Witz von sich, wobei sie Camille auf ihre Seite zog, da sie neben ihr die einzige Weiße in der Truppe war.
     
    Camille, die sich häufig an ihrem Scheuerlappen festhalten mußte, um ihn der Bredart nicht ins Gesicht zu schleudern, hatte sie unlängst gebeten, ihre dummen Sprüche für sich zu behalten, weil sie allmählich allen auf den Geist gehe.
    »Nein, hör sie dir an. Wie sie spricht? Was machst du überhaupt hier bei uns? Spionierst du uns aus? Das hab ich mich neulich schon gefragt. Ob dich vielleicht der Chef auf uns angesetzt hat, um uns auszuspionieren oder so … Ich hab auf deinem Gehaltzettel gesehen, wo du wohnst, und wie du sprichst und überhaupt. Du bist keine von uns? Du stinkst nach vornehmer Familie, du stinkst nach Geld. Du Gefängnisaufseherin,

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