Zusammen ist man weniger allein
du!«
Die anderen sagten nichts. Camille schob ihr Wägelchen weiter und ging weg.
Sie drehte sich um:
»Was sie zu mir sagt, ist mir schnurzegal, für sie hab ich nur Verachtung übrig. Aber ihr, ihr seid wirklich feige. Für euch hab ich den Mund aufgemacht, damit sie aufhört, euch zu demütigen, und ich erwarte kein Dankeschön, auch das ist mir schnurzegal, aber wenigstens könntet ihr mir helfen, die Klos zu machen. Denn so vornehm ich auch sein mag, ich bin immer diejenige, an der die Klos hängenbleiben, wenn ich euch mal darauf aufmerksam machen darf.«
Mamadou gab ein komisches Geräusch von sich und spuckte Josy neben die Füße, einen wirklich gräßlichen Klumpen. Dann schnappte sie sich ihren Eimer, schwenkte ihn vor sich her und schlug Camille damit auf den Hintern:
»Wie kann ein Mädchen mit so einem kleinen Hintern so ein grroßes Mundwerk haben? Du überraschst mich immer wieder.«
Die anderen brummten etwas und verstreuten sich träge. Bei Samia war es ihr egal. Bei Carine war es schon härter. Die mochte sie gern. Carine, die in Wirklichkeit Rachida hieß, aber ihren Vornamen nicht mochte und einer Faschistin die Stange hielt. Sie würde es weit bringen, die Kleine.
An dem Tag hatte sich das Blatt gewendet. Die Arbeit war immer noch gleich blöd, aber die Stimmung war jetzt ekelhaft. Das machte ziemlich viel aus.
Camille hatte Kolleginnen verloren, aber vielleicht eine Freundin gewonnen. Mamadou wartete vor dem Metroeingang auf sie und tat sich mit ihr zusammen. Sie leistete ihr Gesellschaft, während Camille für zwei arbeitete. Nicht weil die andere nicht willig wäre, aber sie war offen gesagt ganz einfach zu dick, um etwas zu schaffen. Wofür sie eine Viertelstunde brauchte, das wischte Camille in zwei Minuten, und außerdem hatte sie überall Schmerzen. Ohne Schmu. Ihr armes Gerippe konnte schon die eigene Last nicht mehr bewältigen: Enorme Schenkel, riesige Brüste und ein noch größeres Herz. Es muckte auf, und das war ganz normal.
»Du mußt abnehmen, Mamadou.«
»Ja, ja. Und du? Wann kommst du zu mir, um mein afrikanisches Hähnchen zu essen?« gab sie jedesmal zurück.
Camille hatte ihr einen Handel angeboten: Ich arbeite, aber du bestreitest die Unterhaltung.
Sie konnte nicht ahnen, wie weit dieser kleine Satz sie bringen würde. Die Kindheit im Senegal, das Meer, der Staub, die Zicklein, die Vögel, das Elend, ihre neun Geschwister, der alte weiße Pater, der sein Glasauge herausnahm, um sie zum Lachen zu bringen, die Ankunft in Frankreich 1972 mit ihrem Bruder Léopold, die Müllabfuhr, ihre mißglückte Eheschließung, ihr trotz alledem lieber Ehemann, ihre Bälger, ihre Schwägerin, die ihre Nachmittage im Kaufhaus verbrachte, während sie die ganze Arbeit verrichtete, der Nachbar, der erneut gekackt hatte, diesmal ins Treppenhaus, die häufigen Feste, der Ärger, ihre Kusine ersten Grades, die zu allem Überfluß Germaine hieß und sich letztes Jahr erhängt hatte, dabei zwei herzige Zwillinge zurückließ, die Sonntagnachmittage in der Telefonzelle, die holländischen Tücher, die Kochrezepte und eine Million weiterer Bilder, von denen Camille nie genug bekam. Sie brauchte nicht länger Courrier International , Senghor oder die Ausgabe Seine-Saint-Denis im Parisien zu lesen, es genügte, daß sie etwas stärker schrubbte und die Ohren spitzte. Und wenn Josy vorbeikam – was selten geschah –, bückte sich Mamadou, wischte mit dem Lappen über den Boden und wartete, bis die Luft wieder rein war, um sich erneut aufzurichten.
Vertraulichkeiten über Vertraulichkeiten, Camille wagte zunehmend indiskretere Fragen. Ihre Kollegin erzählte ihr die gräßlichsten Dinge, zumindest kamen sie ihr gräßlich vor, mit entwaffnender Unbekümmertheit.
»Aber wie organisierst du das alles? Wie hältst du das durch? Wie schaffst du das? Dieser Zeitplan ist die Hölle.«
»Papperlapapp. Red nicht von Dingen, wo du dich nicht auskennst. Die Hölle ist viel, viel schlimmer. Die Hölle ist, wenn du Leute, die du liebst, nicht mehr sehen kannst. Der ganze Rest zählt nicht. Sag mal, soll ich dir frrische Lappen holen?«
»Du könntest bestimmt eine Arbeit in deiner Nähe finden. Deine Kinder sollten abends nicht allein bleiben, man weiß nie, was passiert.«
»Meine Schwägerin ist ja da.«
»Aber du sagst doch, daß du dich auf sie nicht verlassen kannst.«
»Manchmal schon.«
»Proclean ist eine riesige Firma, ich bin sicher, du könntest auch eine
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