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Zusammenarbeit - was unsere Gesellschaft zusammenhält

Zusammenarbeit - was unsere Gesellschaft zusammenhält

Titel: Zusammenarbeit - was unsere Gesellschaft zusammenhält Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sennett Richard
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durch Facebook zu machen. Viele Social-Networking-Sites sind sozial gar nicht sonderlich interaktiv. Im 21. Jahrhundert, so schreibt die Schriftstellerin Sarah Bakewell mit Bedauern, ist der Cyberspace »voll von Menschen, die sich [online] vor allem mit sich selbst beschäftigen«. Wer sich »eine halbe Stunde durch das Online-Meer der Blogs und Tweets kämpft … stößt auf Tausende von Menschen, die von ihrer eigenen Person fasziniert sind und nach Aufmerksamkeit schreien«. 26 Ihre Beobachtung ist richtig, aber unvollständig. Dieselbe Technologie kann auch folgenreichere Gespräche ermöglichen, wie etwa in dem Online-Chatroom über Brustkrebs, den Shani Orgad untersucht hat. Auf dieser Site tauschen Frauen lebenswichtige Informationen und Erfahrungen aus, die eine Ergänzung zu ihrer Kommunikation mit den Ärzten darstellen. Orgad fand heraus, dass der Chatroom oft hilfreicher für den Umgang mit der Krankheit ist als direkte Gespräche im Krankenhaus. 27
    Noch wichtiger waren für uns allerdings die Geisteshaltungen, die sich in der politischen Blogosphäre zeigen – die eher durch aggressives Vertreten der eigenen Meinung als durch eine auf Geben und Nehmen ausgerichtete Diskussion gekennzeichnet ist: ein, wie Cass Sunstein befürchtet, riesiges Archipel des Ausdrucks von Ansichten im Stil des »Wir-gegen-sie«. 28 Wir mussten mit diesen Online-Gewohnheiten brechen, die ein Beispiel für den Behauptungsfetischismus darstellen. Nur ein dialogisches, auf Erklärung ausgerichtetes Gespräch konnte uns helfen, die komplexen Fragen zu verstehen, mit denen wir uns auseinandersetzten.
    Ich hatte anfangs geglaubt, die Google-Wave-Technologie könne solch ein Gespräch ermöglichen, doch das war ein Irrtum. Die Schöpfer des Programms hatten eine sehr entschiedene Vorstellung von Kooperation. Sie folgten ganz dem dialektischen Modell, das sie visuell umsetzten. Google Wave verwendet Schriftfarben, Hypertextlinks und zusätzliche Bildschirmfenster, um eine konvergierende Erzählung zu erzeugen, die im größten Kasten auf dem Bildschirm angezeigt wird. Der große Kasten zeigt in linearer Weise, wie das Wechselspiel der Ansichten vom Beginn bis zum Abschluss des Projekts zu einem Konsens gelangen kann. Das Programm bewahrt die früheren Beiträge zu einer Diskussion und sorgt dafür, dass die Vergangenheit durch einen Mausklick unmittelbar zugänglich bleibt, doch in der visuellen Darstellung wird alles, was irrelevant oder als Sackgasse erscheint, in Nebenfenster verbannt oder unterdrückt.
    In der Benutzeranleitung für Google Wave wurde behauptet, dieser Aufbau sorge für eine effiziente Kooperation, da irrelevante Elemente ausgesondert würden, aber das Programm erwies sich als zu einfach. Seine dialektisch-lineare Struktur vermochte nicht der Komplexität gerecht zu werden, die sich durch die Kooperation einstellte. Jedes echte Experiment führt zu unerwarteten Ergebnissen. Entdeckungen dieser Art zwingen uns, außerhalb des vorgegebenen Rahmens zu denken, neue Assoziationen zu suchen und neuartige Vergleiche anzustellen, wie es bei dem von Thomas Kuhn so genannten »Paradigmenwechsel« geschieht. Die von Google Wave für das kooperative Gespräch bereitgestellte Struktur verhinderte jedoch, dass man aus dem vorgegebenen Denkrahmen heraustrat. Sie eliminierte gerade jene scheinbar irrelevanten Ansätze, die sich später als fruchtbar erwiesen.
    Als das Geben und Nehmen sich in unserer Gruppe immer stärker auf die Frage der Religion konzentrierte, kamen Zwischenrufe, die auf andere Aspekte hinwiesen, zu kurz und wurden in Nebenfenster verbannt (etwa die Frage: »Was ist mit Frauen, die aus dem Norden nach London kommen?«). Jemand fragte die Forscherin, die auf die mögliche Rolle junger Migrantinnen hingewiesen hatte, warum man so lange nichts mehr von ihr gehört hatte. Sie antwortete, man sei über ihre Anregungen hinweggegangen. Ihre Zeit war vorüber, aber wie wir später feststellten, spielt das Geschlecht tatsächlich eine wichtige Rolle bei der Frage, wer aus der zweiten Generation Entfremdung erlebt und wer nicht. Die Forscherin brachte in ihrer dialogischen Reaktion ein scheinbar abseitiges Element ein, und diese Reaktion wurde in ein Nebenfenster verbannt.
    Solch ein Vorgang hat in einer Online-Gruppe tiefgreifende soziale Folgen. Wenn dialogische Reaktionen Schritt für Schritt eliminiert werden, kann es geschehen, dass Teilnehmer, die abweichende Gedanken beisteuern, sich ausgeschlossen fühlen,

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