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Zusammenarbeit - was unsere Gesellschaft zusammenhält

Zusammenarbeit - was unsere Gesellschaft zusammenhält

Titel: Zusammenarbeit - was unsere Gesellschaft zusammenhält Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sennett Richard
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Programmierer konnten sich nicht vorstellen, welche Art von Gespräch die Menschen brauchten.
    Der Fehler, das sei hier betont, liegt nicht in der Hardware, sondern in der Software, deren Schöpfer über ein unzulängliches Verständnis sozialen Austauschs verfügten. Das Scheitern von Google Wave lässt die entgegengesetzten Vorzüge derselben Hardware für politische Zwecke wie die politische Revolte noch deutlicher hervortreten, Vorzüge, die die Entwickler gar nicht im Sinn hatten, als sie die Programme schrieben. Laniers Warnung lautet, dass sich der menschliche Wille im alltäglichen Gebrauch eher der Technologie beuge als umgekehrt. Oder anders gesagt, wer Programme im Bereich sozialer Beziehungen einsetzt, muss damit kämpfen oder sie deformieren, wenn er einen komplexen sozialen Austausch praktizieren möchte.

    Das Unvermögen, Komplexität zu ermöglichen, ist ein zentrales Thema im Werk der Philosophin Martha Nussbaum und ihres Kollegen Amartya Sen. In ihrer »Theorie der menschlichen Fähigkeiten« behaupten sie, unsere emotionalen und kognitiven Fähigkeiten würden in der modernen Gesellschaft nur unzureichend genutzt. Die Menschen verfügen über größere Fähigkeiten, als Schule, Arbeitsplatz, zivilgesellschaftliche Organisationen und politische Regime sie einzusetzen erlauben. 31 Sens und Nussbaums Ansichten waren sehr anregend für mich und bilden den Orientierungsrahmen dieses Buchs. Die Kooperationsfähigkeit der Menschen ist weitaus größer und komplexer, als die Institutionen dies zulassen. In dieser Einleitung habe ich zu zeigen versucht, wie reich die Erfahrung des Umgangs mit anderen Menschen sein kann. Was folgt nun daraus?

Dieses Buch

    Dieses Buch gliedert sich in drei Teile, in denen ich erkunde, wie Kooperation gestaltet, geschwächt und gestärkt werden kann. In jedem Teil untersuche ich die Kooperation aus unterschiedlichen Perspektiven und stütze mich dabei auf Forschungen aus dem Bereich der Anthropologie, der Geschichte, der Soziologie und der Politik. Dabei arbeite ich jeweils mit einer Reihe von Fallstudien, die ich eher für ein dialogisches Gespräch als eine schlagkräftige dialektische Argumentation nutze. Ich versuche, Sie zu einem kritischen Engagement zu bewegen, statt Punkte zu sammeln oder Sie zur Übernahme einer bestimmten Ansicht zu drängen. Ich möchte auch hier in diesem Buch Kooperation praktizieren.
    Im ersten Teil gehe ich zunächst der Frage nach, wie Kooperation in der Politik abläuft. Im Mittelpunkt steht hier die Solidarität, denn das Gegeneinander spielt in der modernen politischen Landschaft eine wichtige Rolle. Gibt es eine Politik der Kooperation, die dem Paroli bieten könnte? Das zweite Kapitel befasst sich mit der Beziehung zwischen Konkurrenz und Kooperation. Sie stehen in einem komplexen Verhältnis, das ich mit den Mitteln der Anthropologie zu ergründen versuche. Das dritte Kapitel bietet einen bestimmten Rahmen für die Untersuchung der geschichtlichen Herausbildung der Kooperation. Die Frage, wie man kooperieren kann, kam zu Beginn der Neuzeit auf, als die Wissenschaft sich von der Religion zu trennen begann und die Religion selbst sich in Europa spaltete.
    Der zweite Teil des Buchs, der sich mit der Schwächung der Kooperation befasst, ist soziologischen Charakters und mündet in die Gegenwart. Dort setze ich mich mit Sens und Nussbaums kritischen Positionen auseinander. In diesem Kontext untersuche ich im vierten Kapitel, wie die Erfahrung von Ungleichheit die Kooperationserfahrung von Kindern beeinflusst. Das fünfte Kapitel erkundet die Erosion der Kooperation im Berufsleben der Erwachsenen. Hier richte ich den Blick vor allem auf das Schwinden der Kooperation, der Autorität und des Vertrauens in der Arbeitswelt. Das sechste Kapitel befasst sich mit der Entstehung eines neuen Charaktertyps in der modernen Gesellschaft, eines unkooperativen Ich, das für den Umgang mit Komplexität und Unterschied schlecht gerüstet ist. Gesellschaftskritik läuft stets Gefahr, auf Karikaturen zu verfallen. Im Wissen um diese Gefahr habe ich mich um eine möglichst nuancierte Darstellung dieser sozialen Übel bemüht.
    Im dritten Teil gehe ich der Frage nach, wie sich die Kooperation stärken ließe, und konzentriere mich dabei auf jene Fähigkeiten, die das bewerkstelligen könnten. Im Vorwort habe ich eher nebenher den Ausdruck »Kooperation als handwerkliche Kunst« verwendet. Im siebten Kapitel gehe ich diesem Gedanken genauer nach und versuche zu

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