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Zwanghafte Gier

Zwanghafte Gier

Titel: Zwanghafte Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Norman
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die ganze Zeit die Luft angehalten hatte.

10
    Frankie ist wie dafür geschaffen.
    Wie dafür geschaffen .
    Es gibt so viel zu tun, endlos viel, und es wird nie getan sein. Roz ist verschwunden – doch darüber will sie nicht nachdenken –, und der Lieferwagen ist wieder nach Gloucester zurückgebracht. Doch selbst wenn jede Spur von Roz beseitigt ist, jede unsichtbare Mikrobe, jeder noch so kleine Fleck, wird es neuen Staub geben, neue Krümel und neuen Dreck von Frankies eigenen Schuhen, wenn sie draußen gewesen ist.
    So wird es immer weitergehen.
    Frankie liebt das.
    Dann und wann ist sie sich bewusst, dass sie zulässt, bis in ihr Inneres davon erfüllt zu werden. Sie weiß, wie riskant das ist; sie kennt die Gefahr und weiß, dass es sie wieder übernehmen könnte ... ihr Problem .
    Es ist nicht vergessen, nur tief ins Unterbewusstsein verdrängt, weggepackt in Müllsäcke ganz hinten in ihrem Kopf, unordentlich, dreckig. So würde Frankie nie etwas wegpacken. Doch in Zeiten wie diesen – nicht dass es je eine Zeit wie diese je gegeben hätte, so schrecklich wunderbar –, da sie weiß, dass sie ein großes Risiko eingeht, reißen die Säcke, und es sickert heraus, die Erinnerung an alles.
    Die Seelenklempner und die beschissenen Krankenschwestern und die ganze verdammte Abteilung. Der Ort .
    Bo.
    Nicht jetzt. Mach das jetzt nicht kaputt.
    Sie reißt sich vom Abgrund zurück, bemüht sich, ihre Medikation wieder auszubalancieren, und sagt sich, dass sie durchaus normal sein und trotzdem tun kann, was ihr gefällt.
    Ihr Heim sauber machen. Ihr wunderschönes Haus. Ihre hübsche Polstergarnitur – grau mit weißen Streifen – so staubfrei wie möglich halten. Jeden Staubwedel, jedes Tuch und jede Bürste benutzen, um bis in die letzten Winkel vorzudringen und sie von Schmutz zu befreien. Sich zärtlich um jedes Gemälde kümmern – einschließlich ihres Lieblingsbildes, das das Haus zeigt und in Roz’ Schlafzimmer hängt, nein, ihrem Schlafzimmer. Nur putzen, schrubben und wischen, putzen, schrubben und wischen, immer weiter und weiter.
    Ein endloser Frühjahrsputz.
    Danke, Roz.

11
    Es überraschte Jude, dass er Earl noch immer häufig besuchte, nachdem dieser von der Intensivstation des Royal Sussex ins Reha-Zentrum von Hove verlegt worden war.
    »Ich bin Ihnen zutiefst dankbar«, sagte Ray Cobbins ihm immer wieder. »Ich freue mich sehr, dass mein Sohn einen Freund wie Sie hat.«
    Wenn er solche Dinge sagte, machte es Jude verlegen, zumal er dem armen Mann von Anfang an erklärt hatte, er sei bloß ein Arbeitskollege. Andererseits wollte er dem Mann auch nicht ständig unter die Nase reiben, dass Earl offenbar keine richtigen Freunde hatte. Einer der Krankenschwestern im Reha-Zentrum zufolge hatten nur Ray, Jude, Ron Clark und zwei Jungs von der Baustelle Earl seit seiner Einlieferung besucht – und die beiden Jungs waren nur einmal gekommen, und das auch nur aus Mitleid.
    »Gut, dass er Sie hat«, hatte die Krankenschwester gesagt.
    »Ich schaue doch nur dann und wann mal herein«, erwiderte Jude.
    »Oh, ein bisschen mehr tun Sie schon«, sagte die Krankenschwester.
    Da war Jude plötzlich ein Gedanke gekommen: Wenn die Krankenschwester schon so dachte, dann glaubte Ray vielleicht, er, Jude, würde auch dann noch für Earl da sein, wenn der wieder entlassen wurde, als eine Art Pfleger.
    »Ich bin wirklich nur ein Arbeitskollege«, erklärte er dem Verwaltungschef der Abteilung, als er das nächste Mal in die Klinik kam. »Ein paar Bierchen nach einem langen Tag, aber das war’s auch schon, fürchte ich.«
    »Dann sind Sie auch Bauarbeiter?« Der Mann schien verblüfft.
    Die Leute waren häufig überrascht, wenn Jude ihnen erzählte, womit er seinen Lebensunterhalt verdiente. Wenn er nicht gerade einen Overall mitsamt Bauhelm trug oder dreckverschmiert war, sagte man ihm oft, dass er nicht wie ein Bauarbeiter aussehe. Jude glaubte zu wissen, was sie damit meinten: dass er nicht der typische Arbeiter war. Aber er wusste auch, dass das Unsinn war. Es gab genauso viele Gründe, warum jemand auf dem Bau landete, wie es Gründe gab, warum jemand Krankenschwester oder Verwaltungsangestellter in einer Reha-Klinik wurde.
    In seinem Fall, dachte Jude oft, hatte es ihm das Leben gerettet, zum Bau zu gehen.
    Als Scott gestorben war und ihre Mom sich erhängt hatte, war er zwölf gewesen und hatte mit seiner Familie in Haywards Heath gelebt. Der vierjährige Scott war sein Halbbruder gewesen, der Sohn von Steve

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