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Zwanghafte Gier

Zwanghafte Gier

Titel: Zwanghafte Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Norman
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wert.
    Die alte graue Maus, Frankie, die Unsichtbare, ist nicht mehr.
    Die neue Frankie ist da. Eine Klassefrau.
    Würdig, dass Roz Bailey ihr während ihrer Abwesenheit das Haus anvertraut hat. »Sie besucht ihre Cousinen«, sagt Frankie laut vor dem Spiegel in Roz’ Schlafzimmer – ihrem Schlafzimmer. Sie übt, nur für den Fall. »In Kanada.« Das klingt plausibel. »O ja. Haben Sie das nicht gewusst?«
    Vollkommen ruhig und cool und absolut plausibel ... besonders wenn es von einer Frau wie ihr kommt. Frankie, die Elegante.

13
    In der zweiten Maiwoche betrat Alex gerade den Aufenthaltsraum der Klinik, um sich mit Earl Cobbins zu treffen, einem neuen Patienten, als sie den Mann wiedersah.
    Den Mann vom Lift im Royal Sussex. Den mit der leicht verschlissenen Lederjacke und dem hübschen Gesicht. Er trug wieder Jeans und darüber einen marineblauen Wollpullover, und er sprach mit Cobbins, der in einem Rollstuhl am Fenster saß.
    Der Mann blickte zu ihr auf, als sie näher kam; dann erhob er sich und lächelte.
    »Die Welt ist klein«, sagte er.
    Sein Lächeln war warmherzig – und das war es, erkannte Alex plötzlich, was sie beim letzten Mal wieder zu einem elfjährigen Mädchen hatte werden lassen, was sie an die Schule in Croydon zurückversetzt hatte, wo Matt ihr zum ersten Mal begegnet war. Diese Wärme.
    Und er war attraktiv. Kräftiger und wuchtiger als Matt, aber dennoch ...
    Vergleiche sie nicht.
    Alex gemahnt sich, daran zu denken, weshalb sie gekommen war.
    »Mr Cobbins.« Sie streckte zur Begrüßung die linke Hand nach seiner Linken aus, denn die rechte Körperseite gehorchte ihm noch nicht. Allerdings hatte Alex im Krankenblatt gelesen, dass Earl Cobbins sich gut erholte. Mit viel Arbeit und Willenskraft standen die Chancen gut, dass er wieder halbwegs gesund würde.
    »Ich bin Alex Levin«, stellte sie sich vor.
    »Earl«, antwortete er.
    So wie er seinen Namen aussprach, klang es mehr wie »Er«, doch es war ein Anfang, und Alex freute sich darüber. Inzwischen war sie es gewöhnt, dass viele Patienten zu wütend und zu sehr voller Selbstmitleid waren, um es mit einem weiteren Fremden auch nur zu versuchen . Manch einer hatte bereits aufgegeben, wenn sie in sein Leben trat.
    »Freut mich, Sie kennen zu lernen, Earl. Und sagen Sie bitte Alex zu mir.«
    Der Mann aus dem Lift trat verlegen von einem Fuß auf den anderen.
    »Ich gehe dann wohl besser«, sagte er, »und überlasse euch eurer Arbeit.«
    Sein Akzent war schwer einzuordnen: London vielleicht, aber seine Stimme klang angenehm warm.
    Warm ... schon wieder dieses Wort.
    »Tut mir leid«, entschuldigte sich Alex, ihn übergangen zu haben. »Aber Earl und ich müssen uns erst richtig kennen lernen. Deshalb wäre es wirklich besser so.«
    »Earl ist sehr entschlossen«, sagte er.
    »Gut«, erwiderte Alex. »Damit wären wir schon zwei.«
    Er streckte die rechte Hand aus.
    »Ich bin Jude Brown«, sagte er.
    »Hallo«, erwiderte sie.
    Und Earl sang recht annehmbar: »Hey, Jude ...!«
    »So geht das schon die ganze Zeit.« Jude verzog das Gesicht. »Bitte, tun Sie mir einen Gefallen, und bringen Sie ihm ein paar neue Lieder bei.«
    »Ich werde mein Bestes tun«, entgegnete Alex.
    Und das war das.
    Später an diesem Nachmittag fiel Alex wieder ein, womit Suzy sie vor ein paar Monaten ständig genervt hatte: dass sie sich jemand Neues suchen solle. Und von da an dachte sie immer wieder daran.
    »Jemand Wunderbaren«, hatte Suzy gesagt.
    Und jedes Mal, wenn Alex an diesem und den folgenden Tagen die Phrase stumm wiederholte, erinnerte sie sich an Jude Brown.
    Und jedes Mal, wenn das geschah, ermahnte sie sich, sich zusammenzureißen.

14
    Irgendwas stimmt nicht mit dem heißen Wasser.
    Am Boiler liegt es nicht. Er schaltet sich zur vorgegebenen Zeit ein und aus, erhitzt das Wasser und macht ganz normale Geräusche. Aber das Wasser strömt nicht so schnell und glatt durch die Leitungen, wie es der Fall sein müsste.
    Vielleicht, überlegt Frankie, liegt es an der Pumpe, aber die hat sie sich angesehen. Sie hat daran gelauscht, hat sie abgetastet und ist der Meinung, dass sie richtig arbeitet. Allerdings ist sie keine Klempnerin.
    Von allen Dingen, die in ihrem neuen Haus hätten schiefgehen können, ist dies das Schlimmste. Mitte Mai ist es zwar egal, ob die Heizung funktioniert oder nicht, aber ohne heißes Wasser ist all ihre Arbeit umsonst.
    Aus einem Keim werden Tausende.
    Sie will keinen Klempner, will nicht, dass irgendjemand ins Haus kommt.

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