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Zwanghafte Gier

Zwanghafte Gier

Titel: Zwanghafte Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Norman
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flüsterte Alex. »Wirklich?«
    »Wenn das nicht stimmen würde, würde ich’s nicht sagen«, antwortete Alex.
    Eine Zeit lang schlenderten sie Arm in Arm über den Strand und genossen den Wind in ihren Gesichtern. Sie sprachen vor allem über Earl und seinen Vater und über den Schock, den ein so plötzlicher Tod bedeutete; schließlich hatten sie beide so etwas schon erlebt. Am ernüchterndsten jedoch war, dass Jude berichtete, Ray Cobbins habe die ganzen letzten Tage immer wieder daran gedacht, sich das Leben zu nehmen.
    »Wie ist es ihm denn ergangen, als er gefahren ist?«, erkundigte sich Alex, als sie eine kurze Pause einlegten und Jude die Decke auf die Kiesel legte, damit sie sich setzen konnten. Sie saßen dem verkohlten Gerüst des West Piers gegenüber, das geisterhaft in die tiefhängenden Wolken ragte, und schauten auf das teilweise unter Wasser liegende, geschwärzte Skelett eines riesigen Seeungeheuers.
    »Er schien ihm so gut zu gehen, wie man es unter den Umständen erwarten kann«, beantwortete Jude ihre Frage.
    »Und du?« Alex war besonders sanft, denn ihr war klar, dass Jude in den vergangenen Tagen immer wieder an seinen Bruder und den Selbstmord seiner Mutter hatte denken müssen.
    »Jetzt geht’s mir schon wieder besser«, antwortete Jude und nahm ihre Hand.
    Alex öffnete die Thermoskanne, und sie teilten sich die Suppe und schauten eine Weile vom Pier weg und auf den Kanal hinaus, der grau und wenig einladend aussah.
    »Was ist mit der Beerdigung?«, fragte Alex schließlich.
    »Ray hat gesagt, dass Olivia, seine Schwester, ihm dabei helfen wird. Aber er hat es auf seltsame Art gesagt ... als freue er sich darauf, sich darum zu kümmern.«
    Ein Schwarm Seemöwen, dicht wie eine Wolke, kreiste über dem Pier, stieß dann hinab und verschmolz mit der Struktur.
    »Vielleicht, weil es das Letzte ist, das er für seinen Sohn tun kann«, versuchte Alex sich an einer Erklärung.
    Jude nickte und drückte ihre Hand fester. »Das hat er mehr oder weniger auch gesagt.«
    »Wenn du weißt, wann und wo«, sagte Alex, »würde ich gern hingehen, falls es dir und Ray nichts ausmacht.«
    »Was mich betrifft, ist das mehr als okay«, sagte Jude.
    An diesem Abend riefen sie vom Wohnzimmer im Melton Cottage bei den Maynards an. Jude äußerte noch einmal sein Bedauern, dass er sie nicht habe treffen können, und sagte Suzy, wie wichtig sie für Alex sei und wie sehr er sich auf die nächste Gelegenheit freue, sie kennen zu lernen.
    »Sehr charmant«, sagte Suzy zu Alex, nachdem Jude ihr den Hörer gegeben hatte.
    Alex knirschte mit den Zähnen, ignorierte ansonsten aber die Ironie; stattdessen sagte sie, wie toll es gewesen sei, ein wenig Zeit mit ihnen zu verbringen.
    »Deine Frankie ist ein bisschen seltsam«, bemerkte Suzy.
    »Inwiefern?«, fragte Alex.
    »Ich weiß selbst nicht genau«, antwortete Suzy. »Sie hatte etwas Merkwürdiges an sich.«
    »Du hast sie doch nur kurz gesehen.« Es war unmöglich, überlegte Alex, dass Suzy Frankies Neurose aufgefallen war.
    »Ich weiß, aber ich hatte so ein Gefühl.«
    »Sie wird allmählich paranoid!«, rief David im Hintergrund laut genug, dass Alex es hören konnte.
    »Da hat er wohl recht«, sagte Alex.
    »Ja, vielleicht werde ich wirklich langsam ein bisschen verrückt«, räumte Suzy ein, und plötzlich klang ihre Stimme flacher.
    »Alles in Ordnung, Liebes?«, fragte Alex.
    »Alles bestens.«
    »Sicher?«
    »Natürlich«, sagte Suzy. »Geh wieder zu deinem Jude.«
    Sie warteten eine Weile und versuchten es dann mit Rays Nummer in London. Seine Schwester Olivia kam ans Telefon und redete erst mit Jude, dann mit Alex. Sie sprachen ein paar Minuten miteinander, redeten über Ray und Earl. Die Frau strahlte eine derartige Warmherzigkeit aus, dass man es förmlich durchs Telefon hindurch spüren konnte.
    »Mein Bruder hat mir erzählt, wie nett Jude zu ihm gewesen ist«, sagte sie. »Natürlich haben wir uns noch nicht persönlich getroffen; aber ich nehme an, das wird bald geschehen.«
    »Wir kommen auf jeden Fall zur Beerdigung«, sagte Alex.
    »Das freut mich«, erwiderte Olivia, »aber ich wollte Sie noch einmal nachdrücklich ermahnen, aneinander festzuhalten, denn das Leben kann grausam und viel zu kurz sein.«
    »Ja«, sagte Alex und kämpfte gegen die Tränen an. »Danke, Olivia.«
    »Halten Sie sich aneinander fest. Vergessen Sie das nicht, Alex.«
    Alex erwiderte, sie werde es beherzigen.
    Und später, im Bett, tat sie, was Olivia ihr gesagt

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