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Zwanghafte Gier

Zwanghafte Gier

Titel: Zwanghafte Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Norman
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einfach nicht ertragen, Bo«, sagt Frankie.
    Sie sitzt im Rollstuhl, und ihr Höschen, ihr Rock und die Sitzfläche des Stuhls sind noch immer nass vom Urin.
    Es stinkt.
    Es ist dreckig.
    Unerträglich.
    »Bo«, sagt sie noch einmal.
    »Halt’s Maul.«
    »Bitte«, fleht sie. »Lass mich nicht so sitzen. Ich kann vieles ertragen, aber nicht das. Das weißt du, Bo.«
    Selbst inmitten dieses neuen Schreckens fällt ihr auf, dass die Verzweiflung ihr das Reden leichter macht, nicht schwerer. »Der Geist siegt über die Materie« ... vielleicht hat es ja etwas damit zu tun.
    Wenn du willst, kannst du reden.
    Das hat Bo vor ein paar Tagen gesagt.
    »Bo, bitte«, sagt sie jetzt noch einmal.
    »Entweder hörst du mit dem Jammern auf«, erwidert Bo, »oder ich werde dich zum Schweigen bringen, und das willst du doch nicht, oder?«
    An der Tür klingelt es.
    »Wer zum Teufel ist das denn?« Bo steht auf, verlässt die Küche und geht ins Wohnzimmer. Kurz schaut er zum Fenster hinaus und kommt dann wieder zurück.
    »Das ist diese Levin.«
    »O Gott«, sagt Frankie.
    Es klingelt wieder.
    »Du solltest lieber aufmachen«, sagt Frankie.
    »Das soll wohl ein Scherz sein«, erwidert Bo.
    »Wenn du nicht aufmachst«, erklärt Frankie, »wird sie annehmen, dass ich wieder krank bin, und vielleicht einen Rettungswagen rufen.« Sie hält kurz inne. Überrascht stellt sie fest, dass die Angst sie klarer denken lässt. »Und dein Truck steht doch vor der Tür, nicht wahr?«
    »Scheiße«, sagt Bo. »Ich werde das Weib abwimmeln.«
    »Sei nett zu ihr«, sagt Frankie.
    »Bleib du nur, wo du bist«, befiehlt Bo. »Ich werde ihr sagen, dass du müde und schlecht gelaunt bist. Sie soll ein andermal wiederkommen.«
    Frankie steigt ihr eigener Gestank in die Nase, und die Panik kehrt zurück.
    »Bleib nicht zu lange weg, Bo«, sagt sie. »Bitte.«

116
    Alex fragte sich gerade, ob sie noch einmal klingeln soll, als die Tür sich plötzlich öffnete.
    »Oh«, sagte Bolin. »Sie sind es.«
    »Entschuldigen Sie«, Alex bemühte sich, nicht auf sein verletztes Auge zu starren, »ich wollte Sie nicht stören. Es ist nur ...«
    »Frankie ruht sich gerade aus«, unterbrach Bolin sie. »Sie ist heute Morgen sehr müde.«
    »Verstehe«, erwiderte Alex. »Ich wollte auch nur mal vorbeischauen, Hallo sagen und Frankie fragen, ob sie etwas braucht. Dann lasse ich sie wieder in Ruhe.«
    »Sie braucht nichts«, erklärte Bo und schickte sich an, die Tür zu schließen.
    »Schon okay, Bo.«
    Frankies noch immer ein wenig lallende Stimme kam von irgendwo hinter ihm.
    Bo drehte sich um.
    Alex nutzte die Gelegenheit. Rasch trat sie über die Schwelle und in den Flur.

117
    Frankie ist nicht sicher, warum sie das getan hat.
    Sie hat Bo nicht gehorcht und die Küche verlassen.
    Dabei will sie Alex eigentlich gar nicht hier drin haben; sie hat sogar Angst davor.
    Andererseits hat sie vielleicht noch mehr Angst, hier allein mit Bo zu sein.
    Das hätte ich nicht tun sollen. Ich hätte sie nicht hereinbitten sollen.
    Zu spät.
    Alex ist drin. Sie steht im Flur und lächelt sie an.
    »Ich wollte nur kurz nach Ihnen sehen, Frankie«, sagt sie.
    »Ich habe ihr gesagt, dass du müde bist, Baby«, sagt Bo.
    Er kann die Wut in seinen schwarzen Augen nur schwer verbergen.
    »Nur kurz«, sagt Alex erneut.
    »Okay«, erwidert Frankie.
    Sie lenkt ihren Rollstuhl ins Wohnzimmer.

118
    Selbst wenn der Flur und das Wohnzimmer nicht noch unordentlicher ausgesehen hätten als bei ihrem letzten Besuch, selbst wenn sich alles nicht so unsauber angefühlt hätte – der schreckliche Gestank im Flur hätte ausgereicht, um Alex zu verraten, dass hier etwas nicht stimmte.
    Das und Frankies Gesichtsausdruck.
    Sie sieht krank aus, ging es Alex durch den Kopf, als Frankie ihren Rollstuhl wendete und neben dem Bett abstellte. Krank an Körper und Geist.
    »Sie können schon sehr viel besser mit dem Rollstuhl umgehen«, sagte Alex in sanftem Tonfall, »aber Sie sehen nicht gut aus.«
    »Ich habe Ihnen doch gesagt, dass sie müde ist«, meldete Bo sich verärgert zu Wort.
    Eine solche Antwort war Alex vertraut. Die Leute taten, was sie konnten, und wurden vom Stress gereizt und manchmal sogar kampflustig.
    »Wenn Ihnen beiden die Dinge über den Kopf wachsen sollten«, sie sprach Bolin direkt an, ruhig und höflich, »dann wissen Sie ja, dass es mich nur einen Anruf kostet, Ihnen zusätzliche Hilfe zu besorgen.«
    »Ja, das wissen wir«, erwiderte Bolin. »Aber wir kommen schon

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