Zwanzig Jahre nachher (German Edition)
fünf Jahre lang im Kerker schmachtet, möchte man doch gerne wissen, wohin man geschickt wird.« »Ihr, lieber Herr von Rochefort, Ihr sollt einen vertrauten Posten bekommen. Ihr reist nach Vincennes, wo Herr von Beaufort gefangen sitzt; Ihr werdet mir ihn mit den Augen behüten. Nun, was habt Ihr?«
»Was ich habe?« versetzte Rochefort, mit betrübter Miene den Kopf schüttelnd. »Sie bieten mir da etwas Unmögliches an.«
»Was, etwas Unmögliches? wie sollte das unmöglich sein?«
»Weil Herr von Beaufort einer meiner Freunde ist, oder vielmehr ich einer der seinigen bin. Haben Sie vergessen, gnädigster Herr, daß er bei der Königin für mich Bürge stand?«
»Herr von Beaufort ist seit dieser Zeit ein Staatsfeind.«
»Ja, gnädigster Herr, das ist möglich; da ich jedoch weder König, noch Königin, noch Minister bin, so ist er nicht mein Feind; und ich kann Ihren Antrag nicht eingehen.«
»Das nennt Ihr dann Treue? Ich wünsche Euch dazu Glück. Herr von Rochefort! Eure Treue bindet Euch nicht sehr.«
»Und dann, gnädiger Herr,« fuhr Rochefort fort, »werden Sie wohl begreifen: die Bastille verlassen und nach Vincennes gehen, hieße nur das Gefängnis wechseln.«
»Sagt nur gleich, Ihr gehört der Partei des Herrn von Beaufort an, das ist Eurerseits weit offenherziger.«
»Ich saß so lang in der Haft, gnädiger Herr, daß ich nur noch für eine Partei bin, für die freie Luft. Verwenden Sie mich zu allem andern, schicken Sie mich ins Ausland, beschäftigen Sie mich auf rührige Weise, doch wo möglich auf den Heerstraßen.«
»Lieber Herr von Rochefort,« versetzte Mazarin mit seiner scherzhaften Miene, »Euer Eifer reißt Euch fort. Ihr haltet Euch für einen jungen Mann, weil das Herz noch immer jung ist, doch würde es Euch an Kraft gebrechen. Glaubt mir also, Ihr habt jetzt Ruhe nötig!«
»Sie beschließen also nichts über mich, gnädigster Herr?«
»Im Gegenteil, ich habe schon beschlossen.«
Bernouin trat ein. »Ruft einen Hüter,« sprach er, »und bleibt bei mir,« fügte er leise bei. Ein Hüter trat ein; Mazarin schrieb einige Worte, gab sie diesem Manne und verneigte den Kopf. »Adieu, Herr von Rochefort!« sprach er. Rochefort verbeugte sich ehrerbietig und sagte: »Gnädiger Herr, ich sehe, daß man mich in die Bastille zurückführt.«
»Ihr seht gut.«
»Ich gehe dahin zurück, gnädigster Herr, doch wiederhole ich, daß Sie Unrecht haben, mich nicht zu verwenden.«
Man führte Rochefort wirklich über die kleine Treppe, anstatt durch das Vorgemach, wo d'Artagnan wartete. Er traf im Hofe seine Kutsche und seine vier Mann Bedeckung, doch den Freund suchte er vergebens. »Ach, ach,« sprach Rochefort bei sich selbst, »das verändert die Sache auf schauerliche Weise, und es wogt noch immer eine so große Volksmenge in den Straßen, je nun – dann wollen wir es versuchen, Mazarin zu beweisen, ob wir noch zu etwas anderem als zur Behütung eines Gefangenen taugen.« Er sprang mit eben so viel Leichtigkeit in den Wagen, als ob er erst fünfundzwanzig Jahre gezählt hätte.
Königin Anna im sechsundvierzigsten Jahre
Als Mazarin mit Bernouin allein war, blieb er ein Weilchen gedankenvoll; er wußte viel, doch wußte er noch nicht genug. Mazarin täuschte im Spiel, wie uns Brienne berichtet; das nannte er: seinen Vorteil ergreifen. Sonach beschloß er, mit d'Artagnan die Partie nicht eher anzufangen, als bis ihm alle Karten des Gegners bekannt wären.
»Monseigneur befiehlt nichts?« fragte Bernouin. »Doch,« versetzte Mazarin. »leuchte mir, ich gehe zur Königin.«
Bernouin ergriff einen Leuchter und ging voraus. Man gelangte auf einen geheimen Gang von dem Kabinette Mazarins zu den Gemächern der Königin; diesen Weg ging der Kardinal, um sich zu jeder Stunde zur Königin zu verfügen, mit der er, wie schon gesagt, insgeheim verheiratet war.
Als er in das Schlafgemach kam, in das dieser Gang mündete, traf Bernouin Madame Beauvais an. Diese beiden waren die Vertrauten dieser veralteten Liebe, und Madame Beauvais nahm es über sich, den Kardinal bei der Königin Anna zu melden, die sich mit dem jungen König, Ludwig XIV., in ihrem Betzimmer befand.
Königin Anna saß in einem großen Stuhle, den Ellbogen auf den Tisch, den Kopf auf ihre Hand gestützt, und sah dem königlichen Kinde zu, welches auf dem Teppiche lag und in einem großen Schlachtenbuche blätterte. Jenes Buch war ein Quintus Curtius mit Kupferstichen, welche Alexanders Heldentaten darstellten.
Madame
Weitere Kostenlose Bücher