Zwanzig Jahre nachher (German Edition)
in der Ferne.
»Ha doch,« fragte d'Artagnan so laut, daß es der Bediente hörte, »seid Ihr mit Olivain zufrieden?«
»Ja, ziemlich.« Olivain stellte sich, als habe er nichts gehört und ging in das Gezelt.
»Was habt Ihr gegen diesen Schlingel?«
»Er ist gefräßig,« sagte Rudolf.
»O Herr,« seufzte Olivain, der auf diese Anklage hervortrat.
»Er stiehlt ein bißchen.«
»O, Herr, o ...«
»Und insbesondere ist er ungemein feige.«
»O, o, o, mein Herr, Sie entehren mich,« stammelte Olivain.
»Pest,« rief d'Artagnan, »wißt, Meister Olivain, daß sich Männer, wie wir sind, nicht von Feigherzigen bedienen lassen. Bestehlt Euren Herrn, nascht seine Leckerbissen und trinkt seinen Wein, seid aber, bei Gott, keine Memme oder ich stutze Euch die Ohren. Seht Herrn Mouston an und laßt Euch die ehrenvolle Wunde zeigen, die er erhalten hat, und seht, ob nicht seine ungewöhnliche Tapferkeit seinen Zügen eine Würde aufgedrückt hat.« Mousqueton war bis zum dritten Himmel entzückt, und hätte d'Artagnan umarmt, wenn er sich getraut hätte; indes nahm er sich vor, er wolle sich, wenn sich je eine Gelegenheit füge, für ihn töten lassen.
»Schickt diesen Nichtswürdigen fort, Rudolf,« versetzte d'Artagnan, »denn als Memme wird er früher oder später sich ehrlos machen.«
»Der gnädigste Herr nennt mich einen Feigherzigen,« klagte Olivain, »weil, er sich neulich mit einem Standartenträger des Regiments Grammont schlagen wollte und ich mich ihn zu begleiten weigerte.«
»Meister Olibain,« rief d'Artagnan mit Strenge, »ein Bedienter soll nie den Gehorsam verweigern.« Dann zog er ihn beiseite und sagte:
»Du hast recht getan, wenn dein Herr unrecht hatte; hier hast du einen Taler; wenn er aber je beleidigt wird, und du läßt dich nicht für ihn in Stücke hauen, so schneide ich dir die Zunge aus dem Halse und wasche dir damit das Gesicht ab. Merke dir das gut.« Olivain verneigte sich und steckte den Taler ein.
»Freund Rudolf,« sprach d'Artagnan, »nun reisen wir, ich und Herr du Ballon, als Gesandte ab. Ich kann Euch nicht sagen, zu welchem Endzweck; habt Ihr aber irgend etwas vonnöten, so schreibt an Magdalena Tiquetonne und behebt Geld auf diese Kasse wie auf die eines Wechslers, nur mit Schonung, denn ich sage Euch im voraus, daß sie nicht so sehr gefüllt ist wie die des Herrn d'Emerie.« Er umarmte sein einstweiliges Mündel und ließ ihn sodann in Porthos' Arme übergehen, die ihn vom Boden aufhoben und ein Weilchen an dem edlen Herzen des furchtbaren Riesen schwebend hielten.
»Auf!« rief nun d'Artagnan, »auf den Weg!« Sie reisten weiter nach Boulogne, wo sie gegen Abend ihre von Schweiß und Schaum bedeckten Pferde anhielten. Zehn Schritte weit von der Stelle, wo sie stille hielten, ehe sie in die Stadt hineinritten, stand ein schwarzgekleideter junger Mann, der auf jemanden zu warten schien, und der von dem Momente an, wo er sie kommen sah, die Augen nicht mehr von ihnen abwandte. D'Artagnan näherte sich ihm, und da er sah, daß ihn sein Blick nicht verließ, sprach er:
»Holla, Freund, ich lasse mich nicht gerne messen.«
»Mein Herr,« sprach der junge Mann, ohne auf d'Artagnans Anrede zu antworten, »kommt Ihr nicht von Paris?« D'Artagnan dachte, es wäre ein Neugieriger, der Nachrichten aus der Hauptstadt zu haben wünschte.
»Ja, Herr,« entgegnete er in etwas freundlicherem Tone.
»Sollt Ihr nicht im ›Wappen von England‹ logieren?«
»Ja, mein Herr.«
»Wenn das ist, so bin ich es, mit dem Ihr zu tun habt; ich bin Herr Mordaunt.«
»Mein Herr,« erwiderte d'Artagnan. »wir stellen uns zu Eurer Verfügung.«
»Nun gut, meine Herren,« sagte Mordaunt, »so reisen wir unverzüglich ab, denn heute ist der letzte Tag der Frist, welche der Kardinal von mir gefordert hat. Mein Schiff steht bereit, und wäret Ihr nicht gekommen, so war ich entschlossen, ohne Euch abzusegeln; denn der General Oliver Cromwell muß auf meine Zurückkunft schon ungeduldig warten.«
»Ah, ah!« rief d'Artagnan, »also an den General Oliver Cromwell werden wir abgeschickt.«
»Habt Ihr keinen Brief für ihn?« fragte der junge Mann. »Wohl habe ich einen Brief, von dem ich den doppelten Umschlag erst in London wegbrechen soll; da Ihr mir aber sagt, an wen er adressiert ist, so brauche ich nicht bis dahin zu warten.« D'Artagnan riß nun den Umschlag des Briefes auf. Er trug wirklich die Aufschrift: «An Herrn Oliver Cromwell, General der Truppen der englischen Nation.«
»Ha,«
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