Zwanzig Jahre nachher (German Edition)
Gott!«
»Habt Ihr wohl Briefe für mich?« fragte d'Artagnan und gab seiner Wirtin ein Zeichen mit der Hand, sie könnte sich das unnütze Wehklagen ersparen.
»Es liegt einer hier, der eben angekommen ist.« Und sie reichte d'Artagnan den Brief.
»Von Athos,« rief d'Artagnan, als er die feste und große Handschrift seines Freundes erkannte.
»Ha,« sprach Porthos, »laßt ein bißchen sehen, was er schreibt.« D'Artagnan erbrach den Brief und las: »Lieber d'Artagnan! lieber du Ballon! meine Freunde! Ihr erhaltet vielleicht zum letztenmal Nachrichten von mir. Aramis und ich sind sehr unglücklich; allein Gott, unser Mut und das Andenken an unsere Freundschaft erhält uns noch aufrecht. Seid ja auf Rudolf bedacht. Ich empfehle Euch die Papiere, welche sich in Blois befinden, und habt Ihr innerhalb zwei und einem halben Monat keine Nachricht von uns, so untersucht dieselben. Umarmt den Vicomte aus ganzem Herzen im Namen Eures getreuen Freundes Athos.«
»Bei Gott, das will ich glauben, daß ich ihn umarmen werde!« rief d'Artagnan, »zumal da er sich auf unserm Wege befindet, und hat er das Unglück, unsern armen Athos zu verlieren, so wird er von diesem Tage an mein Sohn!«
»Und ich,« entgegnete Porthos, »ich setze ihn zu meinem Universalerben ein.«
»Laßt sehen,« was Athos noch weiter schreibt.«
»Solltet Ihr auf Euren Wegen einem Herrn Mordaunt begegnen, so hütet Euch vor ihm. Ich kann Euch mit meinem Briefe nicht mehr sagen.«
»Herr Mordaunt,« rief d'Artagnan betroffen.
»Herr Mordaunt – wohl, man wird sich daran erinnern,« sagte Porthos. »Allein seht, ob wir keine Nachricht von Aramis haben.«
»In der Tat,« versetzte d'Artagnan und las: »Werte Freunde, wir verhehlen Euch den Ort unseres Aufenthalts, weil wir Eure brüderliche Aufopferung kennen, und wohl wissen, daß Ihr kommen würdet, um mit uns zu sterben.«
»Donner und Wetter!« unterbrach ihn Porthos mit einem Zornesausbruch, der Mousqueton bis ans andere Ende des Zimmers taumeln ließ, »schweben sie denn in Todesgefahr?« D'Artagnan fuhr fort zu lesen: »Athos vermacht Euch Rudolf, und ich vermache Euch eine Rache. Solltet Ihr das Glück haben, Hand an einen gewissen Mordaunt zu legen, so sagt Porthos, daß er ihn in einen Winkel zerre und ihm den Hals umdrehe. Ich getraue mich nicht, in einem Briefe mehr zu sagen. Aramis.«
»Wenn es nur das ist,« sagte Porthos, »so läßt es sich leicht machen.«
»Im Gegenteil,« versetzte d'Artagnan mit düsterer Miene, »das ist unmöglich.«
»Warum denn?«
»Eben dieser Mordaunt ist es, den wir in Boulogne treffen und mit dem wir nach England übersetzen sollen.«
»Nun, wenn wir uns, statt daß wir uns diesem Herrn Mordaunt anschließen, unsern Freunden anschlössen?« fragte Porthos mit einer Miene und Bewegung, worüber sich ein Heer hätte entsetzen können.
»Ich dachte wohl schon daran,« erwiderte d'Artagnan, »allein der Brief hat weder Datum noch Postzeichen.«
»Das ist wahr,« entgegnete Porthos. Und er schritt wie ein verwirrter Mensch im Zimmer herum, gebärdete sich heftig und zog jeden Augenblick sein Schwert aus der Scheide. Was d'Artagnan betrifft, so blieb er bestürzt stehen, und die tiefste Betrübnis malte sich auf seinem Antlitze. »O, das ist unrecht,« murmelte er, »Athos beleidigt uns, er will allein sterben, das ist unrecht.« Als Mousqueton diese große Verzweiflung von seinem Winkel aus sah, fing er zu weinen an.
»Ha doch!« rief d'Artagnan, »das alles führt zu nichts. Brechen wir auf, reisen wir ab, um Rudolf zu umarmen, wie schon gesagt, vielleicht hat er Nachricht von Athos bekommen.«
»He, der Gedanke ist gut,« sprach Porthos: »wirklich, lieber d'Artagnan, ich weiß nicht, wie Ihr das macht, aber Ihr seid voll von Einfällen. Also auf, um Rudolf zu umarmen.«
»Wehe dem, der jetzt meinen Herrn schief anblicken wollte,« sagte Mousqueton; »ich gebe keinen Pfennig für seine Haut.« Man stieg zu Pferde und ritt von hinnen. Als die Freunde in die Straße Saint-Denis kamen, bemerkten sie einen großen Volksauflauf. Den Anlaß gab Herr von Beaufort, der eben aus Vendome ankam, und den der Koadjutor den entzückten Parisern vorstellte. Mit Herrn von Beaufort glaubten sie sich jetzt unüberwindlich. Die zwei Freunde bogen in eine enge Gasse ein, um dem Prinzen nicht zu begegnen, und gelangten zur Barriere Saint-Denis.
»Ist es wahr, daß Herr von Beaufort in Paris angekommen ist?« sagten die Wachen zu den zwei Reitern.
»Nichts ist so
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