Zwanzig Jahre nachher (German Edition)
könne.
»Diese Herren sind mit mir,« sprach Lord Winter. Der Diener verneigte sich und ließ sie vorübergehen. Wirklich war der König in seinem schwarzen Wams, die langen Stiefel an den Füßen, den Gürtel offen und den Hut neben sich, dem unwiderstehlichen Bedürfnisse nach Schlaf nachgebend, auf einem Feldbette eingeschlummert. Die drei Männer näherten sich, und Athos, welcher vorausging, betrachtete ein Weilchen dieses edle, blasse, von langen Haaren umwallte Antlitz, das der Schweiß eines bösen Traumes befeuchtete, und welches die dicken, blauen Adern marmorierten, welche unter seinen müden Augen von Tränen angeschwollen schienen. Athos stieß einen tiefen Seufzer aus, dieser Seufzer erweckte den König, da sein Schlummer so leise war. Er öffnete die Augen, und indem er sich auf seinen Ellbogen erhob, sprach er: »Ha, seid Ihr es, Graf de la Fere?«
»Ja, Sire,« antwortete Athos.
»Ihr wacht, indes ich schlafe, und bringt mir gewiß irgendeine Nachricht.«
»Leider, Sire,« versetzte Athos, »Eure Majestät hat richtig geraten.«
»So ist die Nachricht schlimm?« sprach der König, melancholisch lächelnd.
»Ja, Sire.«
»Gleichviel, der Bote ist mir willkommen, und Ihr, dessen Ergebenheit kein Vaterland und kein Unglück kennt, Ihr, den mir Henriette zusendet, könnet bei mir nicht eintreten, ohne mir Freude zu machen; redet also mit Zuversicht, wie die Nachricht auch sei, die Ihr mir zu überbringen habt.«
»Sire, Herr Cromwell kam diese Nacht in Newcastle an.«
»Ha,« rief der König, »um mich zu schlagen?«
»Nein, Sire, um Sie zu verkaufen.«
»Was sprecht Ihr da?«
»Ich sage, Sire, das schottische Heer hat 400 000 Livres Sterling zu fordern.«
»An rückständigem Solde, ja, das weiß ich. Meine tapferen und treuen Schotten kämpfen schon fast ein Jahr lang für die Ehre.« Athos lächelte und sprach: »Nun, Sire, wenn es auch um die Ehre eine schöne Sache ist, so sind sie doch müde, für dieselbe zu kämpfen, und diese Nacht verkaufen sie Ew. Majestät für 200 000 Livres, nämlich für die Hälfte von dem, was sie zu fordern hätten.«
»Unmöglich,« rief der König, »daß die Schotten ihren König für 200 000 Livres verkaufen!«
»Die Juden haben wohl Jesum für 30 Silberlinge verkauft.«
»Wer ist denn der Judas, der diesen schimpflichen Handel geschlossen hat?«
»Der Graf von Lewen.«
»Seid Ihr des versichert, mein Herr?«
»Ich hörte es mit meinen eigenen Ohren.« Der König stieß, als bräche ihm das Herz, einen tiefen Seufzer aus, und senkte den Kopf in seine Hände. Dann rief er aus: »O, die Schotten, die Schotten, welche ich meine Getreuen nannte; die Schotten, denen ich mich anvertraut, da ich doch nach Oxford hätte entfliehen können; die Schotten, meine Landsleute; die Schotten, meine Brüder! Doch, mein Herr, seid Ihr dessen ganz versichert?«
»Ich lag hinter dem Gezelte des Grafen von Lewen, lüftete die Leinwand, und konnte so alles hören, alles.«
»Und wann kommt dieser schändliche Handel zum Abschlusse?«
»Heute in der Morgenstunde. Es ist somit, wie Ew. Majestät sieht, keine Zeit zu verlieren.«
»Warum das, wo Ihr sagt, daß ich verkauft bin?«
»Um über die Tyne zu setzen, Schottland zu erreichen, und sich an Montrose anzuschließen, der Ew. Majestät nicht verkaufen wird.«
»Was aber tun in Schottland? Einen Parteikrieg führen? Ein solcher Krieg ist unwürdig eines Königs.«
»Robert Bruce ist als Beispiel da, um Sie freizusprechen, Sire.«
»Nein, nein, ich kämpfe schon allzu lang; haben sie mich verkauft, so mögen sie mich überliefern, und die ewige Schmach ihres Verrats falle auf sie zurück.«
»Sire,« entgegnete Athos, »vielleicht muß ein König auf solche Art handeln, jedoch ein Gatte und Vater darf nicht so handeln. Ich kam hierher im Namen Ihrer Gemahlin und Ihrer Tochter, und sage Ihnen im Namen Ihrer Gemahlin und Ihrer Tochter, sowie der beiden anderen Kinder, die Sie noch in London haben: bleiben Sie am Leben, Sire, Gott will es.« Der König erhob sich, schnallte seinen Gürtel wieder, nach ihm das Schwert, trocknete seine schweißbedeckte Stirne und sprach: »Nun, was habe ich zu tun?«
»Sire, haben Sie im ganzen Heere ein Regiment, auf welches Sie rechnen können?«
»Winter,« sagte der König, »glaubt Ihr an die Treue des Eurigen?«
»Sire, es sind nur Menschen, und die Menschen sind sehr schwach und schlecht geworden. Ich glaube an seine Treue, doch bürge ich nicht für sie; ich würde ihm
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