Zwanzig Jahre nachher (German Edition)
Beil! Ein sinnreiches Schreckbild und würdig derjenigen, welche nicht wissen, was ein Edelmann ist. Du, Beil des Henkers, flößest mir keine Furcht ein,« fuhr er fort und schlug mit dem dünnen, biegsamen Rohr darauf, welches er in der Hand trug, »und ich schlage dich, geduldig und christlich erwartend, daß du es mir erwiderst.« Indem sich nun der König entfernte, sprach er zu Parry: »Gott vergebe mir, diese Leute halten mich wirklich für einen Krämer indischer Wollenstoffe und nicht für einen Edelmann, der an das Funkeln des Schwertes gewohnt ist. Denken sie denn, ich sei nicht so viel wert, wie ein Fleischer?« Unter diesen Worten gelangte er zur Türe; eine lange Reihe des Volkes hatte sich herangedrängt, welches keinen Platz mehr auf den Tribünen finden konnte, und da es den interessantesten Teil des Schauspieles nicht sah, wenigstens das Ende desselben genießen wollte. Diese zahllose Menge voll drohender Gesichter erpreßte dem König einen leisen Seufzer. »Welche Leute,« dachte er, »und nicht einen ergebenen Freund!« Als er diese Worte des Zweifels und der Mutlosigkeit in seinem Innern sprach, sagte eine Stimme neben ihm als Antwort: »Heil der gefallenen Majestät!« Der König wandte sich schnell um, mit Tränen im Auge wie im Herzen. Es war ein alter Soldat seiner Garde, der den gefangenen König nicht wollte vorüberschreiten sehen, ohne ihm diese letzte Huldigung darzubringen. Indes in demselben Momente wurde der Unglückliche durch einen Schwertknopf fast zu Boden gestoßen. Unter diesen Mördern erkannte der König den Kapitän Groslow. »Ah,« rief Karl,»diese Strafe ist sehr hart für einen so geringen Fehler!« Dann setzte er beklommenen Herzens seinen Weg fort; doch hatte er noch kaum hundert Schritte zurückgelegt, als ihm ein Wütender, der sich zwischen zwei Soldaten vorneigte, ins Antlitz spie. Zu gleicher Zeit erhob sich lautes Lachen und dumpfes Murren, die Menge trat zurück, näherte sich wieder, wogte wie ein sturmbewegtes Meer, und dem Könige war, als sähe er mitten unter den lebendigen Wellen Athos' Auge funkeln. Karl wischte sich das Gesicht ab und sprach traurig lächelnd: »Der Unglückselige! Das hätte er sogar seinem Vater für eine halbe Krone angetan.« Der König irrte nicht; er sah wirklich Athos und seine Freunde, die sich abermals unter die Gruppen gemengt hatten, um den Märtyrerkönig mit einem letzten Blicke zu begleiten. Als jener Soldat Karl grüßte, zerschmolz Athos' Herz vor Freude, und als der Unglückliche nach jenem Schlage wieder zu sich kam, so konnte er in seiner Tasche zehn Guineen finden, die ihm der französische Edelmann hineingesteckt hatte; als jedoch jener ruchlose Mensch dem Könige ins Gesicht gespien, da griff Athos nach seinem Dolche. Allein d'Artagnan fesselte die Hand und sprach mit heiserer Stimme: »Halt!« Sonst hatte d'Artagnan nie weder Athos, noch den Grafen de la Fère geduzt. Athos hielt an sich. D'Artagnan stemmte sich auf Athos' Arm, winkte Porthos und Aramis, sich zu entfernen, und stellte sich hinter den Mann mit entblößten Armen, der über seinen ruchlosen Scherz noch lachte und den einige andere Wütende darüber belobten. Dieser Mann ging nach der City. D'Artagnan, stets auf Athos' Arm gestemmt, ging ihm nach und winkte Porthos und Aramis, daß sie ihnen folgen möchten. Der Mann mit entblößten Armen, der ein Fleischerknecht zu sein schien, ging mit zwei Kameraden durch eine stille und einsame Gasse, welche zum Flusse hinabführte. D'Artagnan ließ Athos' Arm los und schritt hinter diesem Manne her. Als die drei Männer bei dem Flusse ankamen, gewahrten sie, daß man ihnen nachsehe, hielten an, blickten sich auf unverschämte Art nach den Franzosen um und wechselten unter sich einige Worte. »Athos,« sagte d'Artagnan, »ich spreche nicht englisch Wie Ihr, und so werdet Ihr mir als Dolmetsch dienen.« Bei diesen Worten verdoppelten sie ihre Schritte und überholten jene drei Männer. Auf einmal wandte sich d'Artagnan, schritt gerade auf den Fleischerknecht zu, welcher stehen blieb, berührte ihn mit der Spitze seines Zeigefingers auf der Brust und sprach zu seinem Freunde: »Athos, wiederhole ihm das: Du bist ein Ruchloser, du hast einen wehrlosen Mann beschimpft, du hast das Angesicht deines Königs besudelt, du mußt sterben! ...« Athos wurde blaß wie ein Gespenst, faßte d'Artagnan bei der Hand und übersetzte jene seltsamen Worte jenem Manne, der sich, als er die unglückverkündenden Vorbereitungen und
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