Zwanzig Jahre nachher (German Edition)
Ansicht besessen oder nicht besessen hatten. Auf das zweimalige Namenverlesen der Anwesenden erfolgte ein kurzes Stillschweigen. Nun kam der Name des Oberst Fairfax an die Reihe und darauf trat jenes kurze, aber feierliche Schweigen ein, welches die Abwesenheit der Mitglieder verriet, welche an diesem Gerichte nicht persönlich teilnehmen wollten. »Der Oberst Fairfax,« wiederholte eine Stimme, die man an ihrem Silberklang als eine weibliche erkannte, »er ist zu klug, um hier zu erscheinen.« Ein lautschallendes Gelächter erfolgte auf diese Worte, die mit jener Kühnheit ausgesprochen wurden, welche die Frauen aus ihrer eigenen Schwachheit schöpfen, eine Schwachheit, die sie jeder Rache entzieht. »Das war eine Frauenstimme!« rief Aramis. »Meiner Treue, ich möchte viel darum geben, wenn sie jung und schön wäre.« Er stieg sonach auf die Bank und bemühte sich, in der Tribüne zu erlauschen, woher diese Stimme gekommen ist. Dann sprach er: »Meiner Seele, sie ist liebenswürdig; seht nur, d'Artagnan, wie jedermann auf sie blickt und wie sie trotz der Blicke Bradshaws doch nicht blaß geworden ist.« »Das ist Lady Fairfax selber,« entgegnete d'Artagnan. »Gedenkt Ihr noch ihrer, Porthos? Wir sahen sie mit ihrem Gemahle bei dem General Cromwell.« Eine kurze Weile darauf wurde die durch diesen seltsamen Zwischenfall gestörte Ruhe wieder hergestellt und der Vortrag fortgesetzt. »Diese Schlingel werden die Sitzung aufheben, wenn sie bemerken, daß sie nicht in hinreichender Anzahl versammelt sind,« sprach der Graf de la Fère. »Ihr kennt sie nicht, Athos, betrachtet doch nur Mordaunts Lächeln, seht, wie er den König angrinst. Ist das der Blick eines Mannes, welcher fürchtet, daß ihm sein Opfer entschlüpfen werde? Nein, so lächelt der befriedigte Haß, so lächelt die Rachelust, die der Sättigung versichert ist. Ha, fluchwürdiger Basilisk, das wird für mich ein glücklicher Tag sein, wo ich etwas anderes mit dir kreuzen werde, als den Blick.« »Der König ist wirklich schön.« sagte Porthos, »und dann seht, wiewohl Gefangener, ist er doch sorgfältig gekleidet. Seht nur, Aramis, die Feder auf seinem Hute ist wenigstens fünfzig Pistolen wert.«
Als der Vortrag beendigt war, befahl der Präsident, daß man zum Verlesen des Anklageaktes schreite. Athos wurde blaß; er betrog sich abermals in seiner Erwartung. Obschon die Richter nicht vollzählig waren, leitete man doch den Prozeß ein, also war der König im voraus schon verurteilt. »Ich sagte es ja, Athos,« sprach d'Artagnan, die Achseln zuckend; »doch Ihr zweifelt immer. Jetzt nehmt Euren Mut zusammen, und hört, ich bitte Euch, ohne zu große Entrüstung die kleinen Absurditäten, welche jener schwarzgekleidete Herr mit Erlaubnis und Vorrecht seinem Könige sagen wird.« Wirklich hatten noch nie so rohe Beschuldigungen, so gemeine Schmähungen und so blutige Anklagen eine königliche Majestät beschimpft. Karl I. hörte die Rede des Anklägers mit besonderer Aufmerksamkeit an, ging über die Schmähungen hinweg, beachtete die Anschuldigungen und antwortete, wenn der Haß zu grob auftrat, und der Kläger sich im voraus zum Henker machte, mit einem verächtlichen Lächeln. Im ganzen war diese Anklage, wobei der König jede Unvorsichtigkeit in Tücke, jeden Fehltritt in ein Verbrechen umgewandelt sah, ein Werk der Gewalttat und des Schauders, um so mehr, als das erste Gesetz der englischen Konstitution sagt: »Der König kann nicht fehlen.« Der Ankläger schloß mit den Worten: »Die gegenwärtige Anklage ist im Namen des englischen Volkes gestellt.« Bei diesen Worten erhob sich ein Murren auf den Tribünen und eine andere Stimme, keine weibliche, sondern eine männliche, tobende Stimme donnerte hinter d'Artagnan und rief: »Du lügst, und neun Zehnteile des englischen Volkes haben vor dem, was du sagst, einen Abscheu!«
Das war Athos' Stimme, der sich emporgerichtet, mit vorgestreckten Armen den öffentlichen Ankläger anredete. Bei dieser Anrede wandten der König, die Richter, die Zuschauer, kurz alle ihre Augen nach der Tribüne, wo die vier Freunde waren. Mordaunt machte es wie die anderen und erkannte den Edelmann, um welchen die drei anderen Franzosen blaß und drohend umherstanden.
Seine Augen flammten vor Entzücken, er hatte nun diejenigen gefunden, an deren Aufsuchung und Tod er sein Leben gesetzt hatte. Eine wütende Gebärde rief zwanzig Musketiere herbei; er zeigte mit dem Finger nach der Tribüne, wo seine Feinde standen,
Weitere Kostenlose Bücher