Zwanzig Jahre nachher (German Edition)
erwiderte der Sterbende, »allein ich verstehe mich ein bißchen auf Verwundungen, und die meinige ist tödlich. Versuchen Sie also, mich irgendwo hinzubringen, wo ich einen Priester finde, oder bemühen Sie sich, mir einen hierher zu führen, und Gott lohne Sie für diese fromme Tat; meine Seele muß gerettet werden; mein Leib, ach! ist schon verloren!« »Man stirbt nicht bei der Übung eines guten Werkes, und Gott wird Euch beistehen.« »Meine Herren, in des Himmels Namen!« sprach der Verwundete, wobei er, als wollte er aufstehen, alle Kräfte zusammenraffte, »lassen Sie uns mit unnützen Worten keine Zeit verlieren; entweder helfen Sie mir nach dem nächsten Dorfe zu kommen, oder schwören Sie mir bei Ihrer Seligkeit, daß Sie mir den ersten Mönch, den ersten Pfarrer, den ersten Priester, auf den Sie treffen, hierher schicken wollen. Jedoch,« fuhr er mit dem Ausdruck von Verzweiflung fort, »vielleicht getraut sich niemand, hierher zu kommen, da man weiß, daß die Spanier diese Gegend durchstreifen, und so werde ich ohne Absolution sterben. Ach, mein Gott! mein Gott!« stammelte der Todeskranke mit dem Ausdrucke des Entsetzens, der die jungen Männer mit Schauder erfüllte, »du wirst das nicht zulassen, nicht wahr? das wäre zu schrecklich, o Gott!« »Beruhigt Euch, mein Herr,« tröstete de Guiche, »ich schwöre Euch, Ihr sollet den gewünschten Trost erlangen. Sagt uns nur, wo es hier ein Haus gibt, in welchem wir Hilfe ansprechen, und ein Dorf, wo wir einen Priester holen könnten?« »Ich danke und Gott wolle es belohnen. Eine halbe Meile von hier an der Straße liegt ein Wirtshaus, und etwa eine Meile über das Wirtshaus hinaus das Dorf Greney. Suchen sie dort den Pfarrer auf, und ist dieser nicht zu Hause, so gehen Sie nach dem Augustinerkloster, welches hinter dem letzten Hause des Dorfes rechts liegt, und holen Sie mir irgendeinen Priester unserer Kirche, der die Gewalt hat, in articulo mortis zu absolvieren.« »Herr d'Arminges!« rief de Guiche, »bleibt bei diesem Unglücklichen, und lasset ihn so vorsichtig als möglich fortschaffen. Baut eine Tragbahre aus Baumästen und breitet alle unsere Mäntel darüber; zwei von unseren Lakaien sollen ihn tragen, indes sich der dritte bereit halte, denjenigen abzulösen, welcher müde ist. Ich und der Vicomte wollen einen Priester holen.« »Gehen Sie, Herr Graf, begeben Sie sich aber in des Himmels Namen in keine Gefahr.« »Seid unbekümmert, überdies sind wir für heute gerettet und Ihr kennt das Axiom: Non bis in idem.« »Seid guten Mutes,« sprach Rudolf zu dem Verwundeten, »wir wollen Eurem Wunsche nachkommen.« »Gott segne Sie, meine Herren,« entgegnete der Todeskranke mit einem unbeschreiblichen Ausdruck von Dankgefühl.
Sonach sprengten die zwei jungen Männer in der angegebenen Richtung davon, indes der Hofmeister des Herzogs von Guiche die Anfertigung der Tragbahre leitete. Nach Verlauf von zehn Minuten bemerkten die zwei jungen Männer das angedeutete Wirtshaus. Ohne daß Rudolf vom Pferde stieg, zeigte er dem Wirte an, man werde einen Verwundeten zu ihm bringen, und bat ihn, er möge indes alles das zurechtrichten. was zu seiner Pflege und zum Verbande erforderlich wäre, nämlich ein Bett, Binden und Scharpie; überdies forderte er ihn auf, wenn er in der Umgebung irgendeinen Doktor oder Wundarzt kenne, so möge er ihn rufen lassen, die Auslagen für den Boten wolle er besorgen. Dann begaben sie sich wieder auf den Weg nach Greney. Sie waren bereits über eine Meile weit geritten und bemerkten schon die ersten Häuser des Dorfes, als sie einen Mann auf einem Maulesel heranreiten sahen, den sie seinem Anzuge gemäße für einen Mönch halten mußten, und wenigstens für den Augenblick nicht ahnten, daß es ein Bösewicht war, der unter dieser Vermummung um so ungestörter seine bösen Zwecke zu erreichen hoffte. Da ihnen nun der Zufall das zu senden schien, was sie eben suchten, näherten sie sich diesem Manne, den wir vorläufig Francis nennen wollen. Es war ein Mann von etwa zweiundzwanzig bis dreiundzwanzig Jahren. Doch hatten ihn die Kasteiungen dem Anscheine nach gealtert. Er war blaß, doch nicht von jener Blässe, die häufig als Schönheit gilt, sondern von einem gallsüchtigem Gelb; seine kurzen Haare, die kaum aus dem Kreise hervortraten, den sein Hut um seine Stirn beschrieb, waren von mattem Blond und in seinen hellblauen Augen schien kein Blick zu leuchten.
»Seid Ihr Priester, mein Herr?« fragte Rudolf mit seiner
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