Zwanzig Jahre nachher (German Edition)
gewohnten Artigkeit. »Weshalb fragt Ihr?« entgegnete der Unbekannte mit einer fast unhöflichen Gleichgültigkeit. »Um es zu wissen, « erwiderte mit Stolz der Graf von Guiche. Der Fremde spornte sein Maultier an und ritt weiter. De Guiche sprengte ihm zuvor und versperrte ihm den Weg. »Gebt Antwort,« sprach er, »wir haben Euch höflich gefragt und jede Frage ist eine Antwort wert.« »Ich hoffe doch, daß es mir freisteht, den beiden ersten besten Leuten, denen es beikommt, mich zu fragen, zu sagen, oder nicht zu sagen, wer ich bin?« De Guiche unterdrückte mühevoll die flammende Lust, die er empfand, diesem Mönche die Rippen einzustoßen. Er beherrsche sich jedoch und sprach: »Wir sind zuvörderst keine zwei ersten, besten Leute, mein Freund! Hier ist der Vicomte von Bragelonne und ich bin der Graf von Guiche. Sodann richten wir diese Frage nicht in vorwitziger Laune an Euch, denn es ist da ein verwundeter und sterbender Mann, der den Beistand der Kirche verlangt. Wenn Ihr nun wirklich Priester seid, so fordere ich Euch auf, im Namen der Menschlichkeit mir zu folgen und jenem Manne beizustehen, und seid Ihr es nicht, nun, so ist es etwas anderes.«
Die Blässe des anscheinenden Mönches wurde totenfahl und er lächelte so seltsam, daß Rudolf, der ihn nicht aus den Augen ließ, auf dieses Lächeln sein Herz krampfhaft beklommen fühlte und sagte, indem er die Hand auf den Kolben seiner Pistole legte: »Das ist irgendein spanischer oder flamändischer Kundschafter.« Ein bedrohlicher Blick, der wie ein Blitz zuckte, antwortete Rudolf. »Nun, mein Herr,« rief Guiche, »werdet Ihr Antwort geben?« »Meine Herrn, ich bin Priester,« entgegnete der Vermummte. Und sein Antlitz nahm wieder seine gewöhnliche Gleichgültigkeit an. »Dann, mein Vater,« sprach Rudolf, während er seine Pistolen wieder in die Halftern steckte und seinen Worten einen ehrerbietigen Ton gab, »wenn Ihr wirklich Priester, seid, so werdet Ihr, wie Euch mein Freund bedeutet hat, Gelegenheit finden, ein standesgemäßes gutes Werk zu verrichten; ein unglücklicher Verwundeter kommt Euch entgegen und wird dort im nächsten Wirtshause anhalten; er verlangt den Beistand eines Dieners Gottes, und unsere Diener begleiten ihn.« »Ich will dahin gehen,« erwiderte Francis, und stieß sein Maultier mit den Fersen. »Wenn Ihr nicht dahin geht,« versetzte Guiche, »so glaubet uns, wir haben Pferde, die Euer Maultier bald einholen, und besitzen Ansehen genug, um Euch überall ergreifen zu lassen, wo Ihr sein möget; und dann schwöre ich Euch, wird Euer Prozeß bald abgetan sein.« Francis' Auge funkelte aufs neue, doch das war alles; er wiederholte seine Worte: »Ich gehe hin,« und trabte fort. »Reiten wir ihm nach,« sprach de Guiche, »das wird sicherer sein.« »Das wollte ich eben auch vorschlagen,« entgegnete Bragelonne.
Die zwei jungen Männer machten sich wieder auf den Weg und richteten ihren Ritt nach dem des vorgeblichen Mönches ein dem sie auf solche Art auf Pistolenschußweite folgten. Nach Verlauf von fünf Minuten wandte sich Francis, um zu sehen, ob man ihm nachfolge oder nicht. »Seht Ihr,« sprach Rudolf, »daß wir wohl getan haben.« Nach einer Weile gelangte man in die Nähe des kleinen Wirtshauses, und sah von der andern Seite den Zug mit dem Verwundeten, der unter Herrn d'Arminges' Leitung langsam herbeikam. Zwei Mann trugen den Sterbenden, der dritte führte die Pferde an der Hand. Als de Guiche an Francis vorüberritt, sagte er zu ihm: »Herr Mönch, da ist der Verwundete, habt die Güte, ein bißchen zu eilen.« Sonach waren es die jungen Männer, welche dem vorgeblichen Diener Gottes vorauseilten, statt ihm zu folgen. Sie eilten dem Verwundeten entgegen und brachten ihm diese angenehme Botschaft. Dieser richtete sich auf, um in der angezeigten Richtung hinzusehen, erblickte den Mönch, wie er eben den Gang seines Maultieres beschleunigte, und sank, das Antlitz von einem Strahle von Freude erheitert, wieder zurück auf die Bahre.
»Nun,« sprachen die jungen Männer, »haben wir für Euch alles das getan, was wir zu tun vermochten, und da wir Eile haben, um
bei dem Heere des Prinzen einzutreffen, so werdet Ihr uns entschuldigen, mein Herr, nicht wahr? um so mehr, da eine Schlacht stattfinden soll, und wir nicht etwa tags darauf ankommen möchten.« »Ziehen sie dahin, meine jungen Herren,« erwiderte der Verwundete, »und ihr Mitleid werde gesegnet; sie haben hier auch wirklich alles getan, was in ihren Kräften
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