Zwanzig Jahre nachher (German Edition)
verlassen haben, müssen sich bereits im Gasthofe befinden. Die Wäsche und der Wein sind gewärmt. Kommen Sie.«
Scharmützel
Der Aufenthalt in Noyon währte nur kurz, jeder machte da einen tiefen Schlaf. Rudolf gab Befehl, ihn zu wecken, wenn Grimaud käme, allein Grimaud kam nicht. Die Pferde stellten sich ohne Zweifel zufrieden mit den acht Stunden völliger Ruhe in der reichlichen Streu, die man ihnen gab. Der Graf von Guiche wurde um fünf Uhr früh von Rudolf geweckt, da er zu ihm kam, um ihm einen guten Morgen zu wünschen. Man frühstückte in aller Eile, und um sechs Uhr hatte man schon wieder zwei Meilen zurückgelegt.
Die Unterhaltung des jungen Grafen war für Rudolf höchst anziehend. Rudolf war daher ein eifriger Zuhörer, der junge Graf ein unermüdlicher Erzähler. Er war in Paris erzogen, wohin Rudolf nur einmal gekommen war, an dem Hofe, welchen Rudolf nie gesehen; seine Pagenstreiche und zwei Duelle, zu denen er ungeachtet der Edikte und zumal ungeachtet seines Hofmeisters Mittel gefunden hatte, waren für Rudolf höchst merkwürdige Dinge. Sodann kam die Reihe an die Galanterien und Liebschaften. Auch in dieser Hinsicht hatte Bragelonne viel mehr zu hören als zu erzählen. Sonach hörte er zu und glaubte, durch drei bis vier ziemlich durchsichtige Abenteuer des Grafen zu ersehen, daß derselbe gleich ihm ein Geheimnis auf dein Grunde seines Herzens trage.
Die Pferde, welche jetzt mehr als tags zuvor geschont wurden, hielten um vier Uhr abends in Arras an. Man kam dem Kriegsschauplatze näher, und beschloß, in dieser Stadt bis zum nächsten Morgen zu bleiben, weil manchmal spanische Scharen während der Nacht Streifzüge bis in die Umgebungen von Arras machten. Die französische Armee stand von Pont à Marc bis Valenciennes und breitete sich bis Douai aus. Der Prinz selbst, hieß es, befand sich in Bethune. Die feindliche Armee dehnte sich von Cassel nach Courtray aus, und da sie jede Art Plünderung und Gewalttätigkeit verübte, so verließen die armen Grenzbewohner ihre einsam gelegenen Güter und flüchteten in befestigte Städte, die ihnen Schutz zusagten. Arras war voll von Flüchtlingen.
Am Morgen ging die Sage, der Prinz von Condé habe Bethune geräumt, um sich nach Corvin zurückzuziehen, doch habe er in der ersten Stadt eine Besatzung zurückgelassen. Da jedoch dieses Gerücht nur unbestimmt lautete, so beschlossen die zwei jungen Männer, ihren Weg nach Bethune fortzusetzen, wo sie unterwegs rechts einbiegen und nach Corvin gehen konnten. Dem Hofmeister des Grafen von Guiche war diese Gegend vollkommen bekannt; er schlug demnach vor, einen Feldweg zu nehmen, der in der Mitte zwischen der Straße nach Lens und jener nach Bethune dahinlief. In Ablain wollte man Erkundigungen einziehen und für Grimaud einen Reisebescheid zurücklassen.
Gegen sieben Uhr machte man sich auf den Weg. Der junge und feurige Guiche sprach zu Rudolf: »Wir sind da unser drei Herren mit drei Bedienten; die Bedienten sind wohl bewaffnet, und der Eurige kommt mir ziemlich herzhaft vor.« »Ich sah ihn noch nie am Werke,« erwiderte Rudolf, »doch ist er aus der Bretagne, und das verspricht etwas.« »Ja, ja,« entgegnete de Guiche, »und ich bin überzeugt, er werde bei Gelegenheit seinen Mann stellen. Ich selbst habe zwei verläßliche Leute, die schon bei meinem Vater im Felde standen; sonach stellen wir sechs Reiter vor. Stießen wir nun auf eine Schar Parteigänger, an Zahl der unsrigen gleich oder sogar überlegen, Rudolf! wollten wir sie da nicht angreifen?« »Allerdings, mein Herr,« versetzte der Vicomte. »Holla! Ihr jungen Herren, holla!« rief der Hofmeister, indem er sich in die Unterredung mengte, »was ist das für ein Vornehmen? Potz Element! und meine Verhaltungsvorschriften? Herr Graf, vergessen Sie darauf, daß ich den Auftrag habe, Sie unversehrt zu dem Prinzen zu bringen? Sind Sie einmal dort, so mögen Sie sich töten lassen, wenn Sie Lust dazu empfinden; allein bis dahin, sage ich Ihnen im voraus, will ich bei dem ersten Helmbusch, den ich sehe, als General des Heeres, den Rückzug gebieten, und selbst auch den Rücken wenden.« De Guiche und Rudolf sahen sich lächelnd von der Seite an.
Man kam ohne Unfall nach Ablain. Hier fragte man und erfuhr, der Prinz habe wirklich Bethune verlassen und stehe zwischen Cambrin und la Venthie. Während man nun für Grimaud stets Weisungen zurückließ, wählte man abermals einen Seitenpfad, der die kleine Truppe in einer halben Stunde an die
Weitere Kostenlose Bücher