Zwanzig Jahre nachher (German Edition)
Königin schien an der Rede des Koadjutors, so lange sie dauerte, großes Wohlgefallen zu haben; als er aber mit der obigen Redensart schloß, der einzigen, welche Anlaß zu schlechten Witzen bot, so wandte sich Anna, und ein ihren Günstlingen zugeworfener Blick sagte ihnen, daß ihnen der Koadjutor preisgegeben sei. Auf der Stelle setzten sich die sarkastischen Zungen in Bewegung. Alles brach in ein Gelächter aus. Nur Gondy verhielt sich ruhig und ernst bei diesem Ungewitter, welches er für die Spötter hätte verderblich machen können. Als die Königin den Koadjutor fragte, ob er zu der schönen Rede, die er eben gehalten, noch etwas beizufügen hätte, erwiderte dieser: »Ja, Madame, ich habe Ihre Majestät zu bitten, reiflich zu erwägen, bevor Sie den Bürgerkrieg im Lande anfachen.« Die Königin wandte ihm den Rücken zu, und das Gespötte fing aufs neue an.
Der Koadjutor verneigte sich und verließ den Palast, während er dem Kardinal einen jener Blicke zuwarf, die man unter Todfeinden versteht. Dieser Blick war so scharf, daß er Mazarin bis auf den Grund des Herzens drang, und daß dieser, wohl fühlend, es wäre eine Kriegserklärung, d'Artagnan am Arme faßte und sprach: »Mein Herr, werdet Ihr wohl gelegentlich diesen Mann, der eben wegging, wieder erkennen?« »Ja, gnädigster Herr.« Dann wandte sich Mazarin zu Porthos und sprach: »Potz Wetter! Das wird schlimm. Ich bin kein Freund von Streitigkeiten unter Männern der Kirche.« Gondy entfernte sich, und als er über die Schwelle des Palastes trat, murmelte er: »Undankbarer Hof, ich will dich morgen in einem anderen Tone lachen lehren!«
Allein während man im Palais-Royal übermäßig lustig war, um die Heiterkeit der Königin zu steigern, verlor Mazarin, als bedächtiger Mann, der übrigens auch alle Vorsicht der Furcht gebrauchte, die Zeit nicht mit eitlen und gefährlichen Scherzen; er war gleich nach dem Koadjutor fortgegangen und ordnete seine Rechnungen, versperrte sein Gold und ließ durch vertraute Handwerker in den Wänden Verstecke anbringen.
Der Turm Saint-Jacques la Boucherie
Herr von Gondy hatte um drei Viertel auf sechs Uhr alle seine Gänge gemacht, und war in den erzbischöflichen Palast zurückgekehrt. Um sechs Uhr meldete man den Verweser von Saint-Méry. Der Koadjutor warf schnell die Blicke hinter ihn, da er bemerkte, daß ihm ein anderer Mann nachfolge. »Lasset ihn eintreten,« sprach er. Der Verweser trat ein und hinter ihm Planchet. »Gnädiger Herr,« sprach der Gemeindeverweser von Saint-Méry, »hier ist der Mann, von dem mit Ihnen zu sprechen ich die Ehre hatte.« Planchet verneigte sich mit einem Anstände, der zeigte, daß er an guten Umgang gewöhnt sei! »Ihr seid also geneigt, der Sache des Volkes zu dienen?« fragte Gondy. »Ich glaube wohl,« erwiderte Planchet, »da ich vom Grunde der Seele Frondeur bin. Wie Sie mich da sehen, bin ich verurteilt, gehenkt zu werden.« »Weshalb das?«
»Ich befreite aus den Händen der Aufseher Mazarins einen Edelmann, als sie ihn nach der Bastille zurückführten, wo er schon fünf Jahre lang geschmachtet hatte.«
»Wie nennt er sich?«
»O, Euer Gnaden kennt ihn recht wohl, es ist der Graf von Rochefort.«
»Ah, wirklich!« rief der Koadjutor, »ich hörte von diesem Vorfalle reden, und wie man mir sagte, brachtet Ihr das ganze Viertel in Aufruhr.«
»So ziemlich,« entgegnete Planchet mit selbstzufriedener Miene. »Was seid Ihr Eures Standes?«
»Zuckerbäcker, Straße des Lombards.«
»Sagt mir doch, wie Ihr kriegerische Neigungen habt, da Ihr ein so friedsames Geschäft betreibt?«
»Nun, gnädiger Herr, ehe ich Zuckerbäcker wurde, war ich drei Jahre Sergeant im Regiment Piemont, und ehe ich Sergeant geworden, war ich achtzehn Monde lang Bedienter des Herrn d'Artagnan.«
»Des Musketier-Leutnants?« fragte Gondy. »Desselben, gnädiger Herr.«
»Man hielt ihn aber für einen wütenden Mazariner.«
»Hm!« machte Planchet. »Was wollt Ihr damit sagen?«
»Nichts, gnädiger Herr; Herr d'Artagnan steht im Dienste, Herr d'Artagnan erfüllt seine Pflicht, wenn er Mazarin verteidigt, da er ihn bezahlt.«
»Ihr seid ein vernünftiger Mann, Freund; kann man Rechnung auf Euch machen?«
»Ich dachte,« erwiderte Planchet, »der Herr Verweser habe sich schon für mich verbürgt?«
»Allerdings, allein ich wünsche diese Zusicherung aus Eurem Munde.«
»Gnädiger Herr, Sie können auf mich rechnen, wenn es sich anders um eine Umgestaltung der Dinge
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