Zwanzig Jahre nachher (German Edition)
Athos, »indes schiffen wir uns nur ein, und sind wir einmal in der offenen See, so möge er kommen.« Athos sprang in die Barke, die auch sogleich vom Ufer stieß und sich unter der Anstrengung von vier kräftigen Ruderknechten allgemach entfernte. Der junge Mann aber folgte der Barke oder eilte ihr vielmehr voraus. Er mußte zwischen der Spitze des Dammes, auf dem sich der eben angezündete Leuchtturm befand, und einem vorragenden Felsenblocke vorüber. Man sah von der Ferne, wie er diesen Fels erkletterte, um sich über dem Schiffe zu befinden, wenn es vorbeiruderte. »O seht,« sprach Aramis zu Athos, »dieser junge Mann ist in der Tat ein Spion.« »Welcher junge Mann?« fragte Lord Winter, indem er sich umwandte. »Nun jener, der uns nachfolgte, der uns ansprach und der dort auf uns wartet – seht.« Lord Winter wandte sich und folgte der Richtung von Aramis' Finger. Der Leuchtturm übergoß mit seinem Lichte die schmale Meerenge, durch die man eben steuern wollte, und den Felsen, auf dem der junge Mann mit gekreuzten Armen harrend stand. »Das ist er!« rief Lord Winter und faßte Athos am Arme. »Das ist er, ich glaube ihn wohl zu erkennen, und irrte nicht.« »Wer?« fragte Aramis. »Myladys Sohn,« entgegnete Athos. »Der Mönch!« rief Grimaud. Der junge Mann vernahm diese Worte; man hätte geglaubt, er wolle sich hinabstürzen, so sehr stand er an der äußersten Felsenspitze über das Meer geneigt. »Ja, ich bin es, mein Oheim, ich, Myladys Sohn, ich, jener vermummte Mönch, ich, der Sekretär und Freund Cromwells, und kenne sowohl Euch als Eure Begleiter.« In dieser Barke waren drei entschieden tapfere Männer, denen niemand den Mut abzusprechen gewagt hätte; dennoch fühlten sie bei dieser Stimme, bei diesem Ausdrucke und dieser Gebärde Schauder durch ihre Adern wallen. Bei Grimaud sträubten sich die Haare auf dem Haupte und der Schweiß träufelte ihm von der Stirne. »Ha,« sprach Aramis, »das ist, wie er selber sagt: der Neffe, der Mönch, der Sohn von Mylady.«
»Ja. leider!« murmelte Lord Winter. »Nun, so wartet,« sagte Aramis. Da ergriff er mit der Kaltblütigkeit, die er bei wichtigen Veranlassungen hatte, eines der zwei Gewehre, die Tony hielt, spannte es und zielte nach dem Manne auf dem Felsen, gleich dem bösen Geiste die Hand und den Blick gespannt. »Feuer!« rief Grimaud außer sich. Athos stürzte auf den Lauf der Büchse und hemmte den Schuß, der sich eben entladen sollte. »Hole Euch der Teufel!« rief Aramis; »ich faßte ihn schon so gut, und hätte ihn mitten durch die Brust geschossen.« »Es ist wohl schon genug,« murmelte Athos, »daß wir die Mutter getötet haben.« »Die Mutter war ein Scheusal und hat uns alle in uns und in denen verletzt, welche uns teuer waren.« »Ja, allein der Sohn hat uns nichts getan.«
Der junge Mann erhob ein Gelächter und rief: »Ha, ihr seid es wirklich; jetzt kenne ich euch!« Sein höhnisches Gelächter und seine drohenden Worte hallten dahin, über das vom frischen Winde fortgetragene Schiff, und verloren sich in der Unendlichkeit des Horizonts. Aramis schauderte. »Stille!« rief Athos; »sind wir denn zum Teufel keine Männer mehr?« »Doch,« entgegnete Aramis, »allein jener dort ist ein Satan. Und nun fragt den Oheim, ob ich unrecht gehabt hätte, daß ich ihn von seinem Neffen befreien wollte.«
In diesem Momente rief sie eine Stimme aus dem Schiffe an, der Lotse am Steuerruder gab Antwort und die Barke legte bei dem Schiffe an.
Ein Versuch des Herrn de Retz
D'Artagnan hatte wohl erwogen, was er tat, da er sich nicht unmittelbar nach dem Palais-Royal begab; er hatte Comminges Zeit gelassen, vor ihm dort einzutreffen, und somit dem Kardinal die wichtigen Dienste mitzuteilen, welche d'Artagnan und sein Freund diesen Morgen der Partei der Königin geleistet hatten. Beide wurden auf das huldreichste von Mazarin empfangen, der ihnen pomphafte Komplimente machte, und sie versicherte, es befinde sich jeder von ihnen weiter als auf halbem Wege von dem, was er wünsche: d'Artagnan nämlich von einer Kapitänstelle und Porthos von seiner Baronie. D'Artagnan hätte eine Belohnung in Geld vorgezogen, indes er wußte, wie gerne Mazarin versprach und wie mühevoll er Wort hielt; ihm galten daher die Versprechungen des Kardinals wie ein hohler Braten; er zeigte sich aber doch in Gegenwart Porthos' ganz zufrieden, weil er ihn nicht mutlos machen wollte.
Während die zwei Freunde bei dem Kardinal waren, ließ ihn die Königin rufen. Der
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