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Zwanzig Jahre nachher (German Edition)

Zwanzig Jahre nachher (German Edition)

Titel: Zwanzig Jahre nachher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas (der Ältere)
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»man wird sehen, ob ich wirklich schon zu alt bin, um ein tatkräftiger Mann zu sein.«

Die Volksbewegung
    Es war ungefähr elf Uhr nachts. Gondy war noch nicht hundert Schritte weit in den Straßen von Paris gegangen, als er die seltsame Veränderung bemerkte, die da geschehen war. Die ganze Stadt schien von phantastischen Wesen bewohnt; man sah schweigende Schatten, welche das Straßenpflaster aufrissen, andere, welche Karren herbeiführten und umleerten, andere, welche Gruben auswarfen, um ganze Reiter-Kompagnien zu verschlingen. Alle diese so tätigen Leute gingen und liefen wie Dämone umher, die irgendein unbekanntes Werk vollbringen.
    Gondy betrachtete diese Männer der Finsternis, diese Nachtarbeiter mit einem gewissen Schauder; er fragte sich selbst, ob er wohl, nachdem er diese unreinen Wesen aus ihren Höhlen hervorgerufen, imstande sei, sie wieder dahin zurückkehren zu lassen. Er war versucht, das Zeichen des Kreuzes zu machen, wenn ihm irgendeines dieser Geschöpfe etwas näher kam.
    Er kam zu der Straße Saint-Honoré und durchschritt dieselbe, um nach der Straße Ferronnerie zu gelangen. Dort änderte sich der Anblick; es waren da Kaufleute, die von Bude zu Bude eilten. Die Türen schienen geschlossen wie die Fensterbalken, doch waren sie bloß angelehnt, so daß sie auf- und sogleich wieder zugingen, um Männer einzulassen, die sich zu fürchten schienen, das, was sie trugen, sehen zu lassen; das waren die Budeninhaber, welche Waffen besaßen und denen, welche keine hatten, davon borgten. Ein Individuum ging von Türe zu Türe, erliegend unter der Wucht von Schwertern, Büchsen, Musketen und Waffen aller Art, die es verabreichte. Der Koadjutor erkannte Planchet beim Schimmer einer Laterne. Als der Koadjutor auf den Pont Neuf kam, fand er die Brücke bewacht; ein Mann trat zu ihm und fragte:
    »Wer seid Ihr? Ich erkenne Euch nicht als einen der Unsrigen.«
    »Das kommt daher, weil Ihr Eure Freunde nicht kennet, lieber Louvières!« entgegnete der Koadjutor, indem er seinen Hut aufhob. Louvières erkannte ihn und verneigte sich. Gondy setzte seine Runde fort und ging bis zum Turme de Résle. Da bemerkte er eine lange Reihe von Leuten, die an den Mauern hinschlüpften. Man hätte meinen mögen, das sei eine Prozession von Gespenstern, da sie alle in weiße Mäntel gehüllt waren. Als nun alle diese Männer einen gewissen Ort erreichten, schien einer nach dem andern zu verschwinden, als wäre der Boden unter ihren Füßen eingegangen. Der letzte erhob die Augen, zweifelsohne, um sich zu überzeugen, daß er und seine Gefährten nicht belauscht worden, und ungeachtet der Dunkelheit erblickte er Gondy. Er schritt geradeswegs auf ihn los und hielt ihm die Pistole an die Kehle. »Holla, Herr von Rochefort!« rief Gondy lächelnd, »scherzen wir mit Schießgewehren nicht.« Rochefort erkannte die Stimme und sagte: »Ach, gnädiger Herr, Ihr seid es!«
    »Ich selbst. Was für Leute führt Ihr da ins Eingeweide der Erde hinab?«
    »Meine fünfzig Rekruten des Chevalier d'Humières, welche zu Cheveauxlegers bestimmt sind, und zu ihrer ganzen Ausrüstung weiße Mäntel bekommen haben.«
    »Und wohin geht Ihr?«
    »Zu einem meiner Freunde, der Bildhauer ist; wir steigen aber durch die Falltüre hinab, durch die er seinen Marmor bekommt.«
    »Recht schön,« versetzte Gondy. Er drückte Rochefort die Hand, der dann gleichfalls hinabstieg und die Falltüre hinter sich zuschloß. Der Koadjutor kehrte nach Hause zurück. Es war ein Uhr morgens. Er öffnete ein Fenster und lehnte sich hinaus, um zu lauschen.
    Am folgenden Morgen schien Paris bei seinem eigenen Anblick zu erschrecken. Man hätte glauben können, es sei eine belagerte Stadt. Bewaffnete Männer standen mit drohenden Blicken, die Gewehre geschultert, auf den Barrikaden; Losungsworte, Runden, Verhaftungen und sogar Gewaltschritte – das fand der Vorübergehende jeden Augenblick. Man hielt die Federhüte und die vergoldeten Degen an, um sie rufen zu lassen: »Es lebe Broussel! Nieder mit Mazarin!« Und wer es nicht tat, wurde verhöhnt, angespuckt und sogar geschlagen. Man tötete zwar noch nicht, sah aber, es fehle nicht an Lust hierzu.
    Die Königin Anna und Mazarin erstaunten ungemein, als sie erwachten und ihnen gemeldet wurde, daß die Altstadt, die sie am Abend zuvor noch ganz ruhig gesehen, fieberhaft und völlig im Aufstande begriffen sei. Mazarin zuckte die Achseln und tat, als verachte er diesen Pöbel, doch wurde er sichtlich blaß und ging

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