Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwanzig Jahre nachher (German Edition)

Zwanzig Jahre nachher (German Edition)

Titel: Zwanzig Jahre nachher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas (der Ältere)
Vom Netzwerk:
ganz und gar nicht aufgeregt. Hinter ihr standen Comminges, Villequier und Guitaut, und hinter den Männern die Frauen. Vor ihr berichtete der Kanzler Séguier, daß man seine Kutsche erbrochen und ihm nachgesetzt habe, daß er nach dem Hotel d'O ... geflohen, und daß dieses Hotel allsogleich erstürmt, ausgeplündert und verwüstet worden sei; zum Glücke habe er noch Zeit gefunden, in ein hinter der Tapete verborgenes Kabinett zu schlüpfen, worin eine alte Frau mit seinem Bruder, dem Bischöfe von Meaux, sich befand. Dort sei die Gefahr so bedrohlich gewesen, die Wütenden haben sich diesem Gemache so ungestüm genähert, daß der Kanzler meinte, seine letzte Stunde wäre schon gekommen, und er habe seinem Bruder gebeichtet, um für den Fall der Entdeckung zum Sterben bereit zu sein. Zum Glücke habe man ihn nicht entdeckt; das Volk, welches wähnte, er habe sich durch eine Hintertüre geflüchtet, zerstreute sich und ließ ihm freien Rückzug. Nun steckte er sich in die Kleider des Marquis d'O ... und verließ das Hotel, indem er über die Leichen einer Stadtwache und zweier Gardisten schritt, die bei der Verteidigung des Straßentores gefallen waren.
    Während dieser Erzählung war Mazarin eingetreten, stellte sich, ohne Aufsehen zu erregen, neben die Königin und hörte zu. »Nun,« fragte die Königin, als der Kanzlei geendet hatte, »was haltet Ihr von all dem?«
    »Madame, ich halte die Sache für sehr ernst.«
    »Und welchen Rat gebt Ihr mir?«
    »Ich würde Ihrer Majestät wohl raten, allein ich wage es nicht.«
    »Wagt es immerhin, Herr,« sprach die Königin mit bitterem Lächeln, »Ihr habt wohl anderes schon gewagt.« Der Kanzler wurde rot und stammelte ein paar Worte. »Es handelt sich nicht um die Vergangenheit, sondern um die Gegenwart. Ihr sagtet, daß Ihr mir einen Rat zu erteilen hättet; worin besteht also derselbe?«
    »Madame,« erwiderte der Kanzler zaudernd, »er bestände darin, Broussel freizulassen.« Die Königin wurde noch blässer, als sie war, und ihr Gesicht zog sich krampfhaft zusammen.
    In diesem Moment vernahm man Tritte im Vorgemach, und der Marschall de la Meilleraie trat, ohne angemeldet zu werden, an die Türschwelle.
    »Ah, Marschall, Ihr seid hier!« rief die Königin erfreut. »Ihr habt doch das Gesindel zur Vernunft gebracht, wie ich hoffe.«
    »Madame,« entgegnete der Marschall, »ich verlor drei Mann am Pont Neuf, vier bei den Hallen, sechs an der Ecke der Straße de I'Arbre Ger und zwei am Tore Ihres Palastes, in allem fünfzehn. Verwundete bringe ich zehn bis zwölf zurück. Mein Hut ward von einer Kugel fortgerissen, ich weiß nicht wohin, und wahrscheinlich wäre ich bei meinem Hute geblieben, hätte mich nicht der Herr Koadjutor der Gefahr entrissen.«
    »Ach, wirklich,« sprach die Königin, »es hätte mich gewundert, diesen krummbeinigen Dachs nicht bei allem beteiligt zu sehen.«
    »Madame,« sprach la Meilleraie, »reden Ihre Majestät nicht zu viel Schlimmes in meiner Gegenwart über ihn, da der Dienst noch zu frisch ist, den er mir erwiesen hat.«
    »Gut,« versetzte die Königin, »seid ihm so dankbar, als Ihr wollet, mich aber macht das nicht verbindlich. Ihr seid wohlbehalten, das ist alles, was ich wünsche; seid mir nicht bloß willkommen, sondern auch erwünscht.«
    »Doch, Madame, bin ich nur unter einer Bedingung glücklich davongekommen, um Ihnen nämlich den Willen des Volkes mitzuteilen.«
    »Den Willen –« rief die Königin Anna mit gerunzelter Stirne. »O, Herr Marschall, Ihr müßt wohl in einer, sehr großen Gefahr geschwebt haben, daß Ihr eine so seltsame Sendung übernahmt.« Sie sprach diese Worte mit einem Ausdruck des Spottes, der dem Marschall nicht entging. »Um Vergebung, Madame,« sprach der Marschall, »ich bin kein Anwalt, darum verstehe ich auch den Wert der Worte nicht recht, ich hätte sagen sollen, den Wunsch und nicht Willen des Volkes. In bezug auf die Antwort, womit Ihre Majestät mich beehrten, glaube ich, Sie wollten sagen, daß ich mich gefürchtet habe.« Die Königin lächelte.»Ja doch, Madame, ich habe mich gefürchtet; das begegnet mir heute zum drittenmal in meinem Leben, und doch habe ich zwölf Hauptschlachten und ich weiß nicht wie vielen Gefechten und Scharmützeln beigewohnt; ja, ich habe mich gefürchtet, und ich stehe lieber Ihrer Majestät gegenüber, wie drohend Ihr Lachen auch sein möge, als jenen höllischen Dämonen, welche mich bisher begleitet haben, und welche, ich weiß nicht woher gekommen

Weitere Kostenlose Bücher