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Zwei an Einem Tag

Zwei an Einem Tag

Titel: Zwei an Einem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Nicholls
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Reiseschriftsteller war er kein Bruce Chatwin, trotzdem ließ sie die Postkarten in die Tasche ihres dicken Mantels gleiten, um auf ausgedehnten, schwermütigen Spaziergängen durch Ilkley Moor über den verborgenen Sinn von »VENEDIG TOTAL ABGESOFFEN!!!!« nachzugrübeln.
    »Wer ist denn dieser Dexter ?«, fragte ihre Mutter mit einem Blick auf die Rückseite der Postkarten. »Ist er dein Freund?« Und mit besorgtem Blick fügte sie hinzu: »Hast du dir schon mal überlegt, für die Gaswerke zu arbeiten?« Emma bekam einen Job hinter der Bar des örtlichen Pubs, die Zeit verging, und ihr Hirn wurde weich wie etwas, das man ganz hinten im Kühlschrank vergessen hat.
    Dann hatte sie einen Anruf von Gary Nutkin bekommen, dem mageren Trotzki-Fan, der damals im Jahr 86 in der sachlichen, kompromisslosen Aufführung von Furcht und Elend im Dritten Reich , an der sie mitgewirkt hatte, Regie geführt und sie dann bei der Abschlussfeier drei Stunden lang sachlich und kompromisslos geküsst hatte. Kurz darauf hatte er sie in eine Peter-Greenaway-Doppelvorstellung mitgenommen und ihr erst nach vier Stunden gedankenverloren eine Hand auf die linke Brust gelegt, als wollte er an einem Dimmer drehen. Später am Abend hatten sie sich in einem muffigen Einzelbett unter einem Poster von Schlacht um Algiers einer Brecht’schen Liebesnacht hingegeben, wobei Gary darauf bedacht war, sie nicht zum Objekt zu machen. Danach nichts, kein Wort, bis zu jenem nächtlichen Anruf im Mai und den zögerlichen, sanften Worten: »Wie würde es dir gefallen, meiner Theatergenossenschaft beizutreten?«
    Emma hatte keine schauspielerischen Ambitionen und schätzte das Theater nur als Medium zur Vermittlung von Worten und Ideen. Aber Sledgehammer sollte eine neue Art progressiver Theatergenossenschaft werden, mit gemeinsamen Absichten, einem gemeinsamen Ziel, einem schriftlichen Manifest und dem festen Willen, das Leben junger Menschen mithilfe der Kunst zu verändern. Vielleicht ergab sich ja eine Romanze, dachte Emma, oder zumindest Sex. Sie packte einen Rucksack, verabschiedete sich von ihren skeptischen Eltern und brach im Minibus auf, als handele es sich um eine große Sache, eine Art theatralischen Spanischen Bürgerkrieg, gesponsert von der Akademie der Künste.
    Aber was war drei Monate später aus der Wärme, dem Kameradschaftsgeist, dem gesellschaftlichen Nutzen und den mit Spaß gepaarten hohen Idealen geworden? Immerhin waren sie doch eine Genossenschaft. Zumindest stand das auf dem Minibus, sie hatte den Schriftzug selbst angebracht. Ich-hasse-diesen-Job-ich-hasse-diesen-Job, murmelte Sid. Emma hielt sich die Ohren zu und stellte sich ein paar grundlegende Fragen: Was mache ich eigentlich hier?
    Verändere ich wirklich etwas?
    Warum zieht sie sich nicht endlich was an?
    Was riecht hier so komisch?
    Wo möchte ich jetzt eigentlich sein?
    Sie wollte in Rom sein, bei Dexter Mayhew. Im Bett.
    »Shaftes-bu-ry Avenue.«
    »Nein, Shafts-bu-ry. Drei Silben.«
    »Ly-ches-ter Square.«
    »Leicester Square, zwei Silben.«
    »Warum nicht Ly-chester?«
    »Keine Ahnung.«
    »Du bist doch mein Lehrer, du musst das doch wissen.«
    »Sollte ich wohl.« Dexter zuckte die Achseln.
    »Es ist dumme Sprache«, sagte Tove Angstrom und boxte ihn auf die Schulter.
    » Eine dumme Sprache. Da hast du völlig Recht. Trotzdem kein Grund, mich zu schlagen.«
    »Ich entschuldige mich«, sagte Tove, küsste ihn erst auf die Schulter, dann den Hals und den Mund, und einmal mehr war Dexter erstaunt, wie befriedigend Unterrichten sein konnte.
    Sie lagen auf einem Kissenstapel auf dem Terrakottaboden seines winzigen Zimmers, weil das Einzelbett sich für ihre Zwecke als zu klein erwiesen hatte. In der Broschüre der Internationalen Percy-Shelley-Englischschule wurden die Lehrerunterkünfte als »einige komfortabel mit vielen mildernden Umständen« beschrieben, was es auf den Punkt brachte. Sein Zimmer im Centro Storico war langweilig und unpersönlich, aber wenigstens gab es einen Balkon, ein geschirrtuchgroßes Sims über einem malerischen Platz, der ganz nach römischer Sitte zugleich als Parkplatz diente. Jeden Morgen weckte ihn das Geräusch der ausparkenden Büroangestellten, die sich forsch-fröhlich gegenseitig anfuhren.
    An diesem schwülen Julinachmittag hörte man allerdings nur die Räder der Touristenkoffer auf dem Kopfsteinpflaster rattern, und sie lagen bei weit geöffneten Fenstern da, küssten sich träge, und ihr dichtes, dunkles Haar, das ihm im Gesicht

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