Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwei an Einem Tag

Zwei an Einem Tag

Titel: Zwei an Einem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Nicholls
Vom Netzwerk:
seine Mutter oft gehört hat, als er noch ein Kind war. Vor dem inneren Auge sieht er Alison im Wohnzimmer dazu tanzen, eine Zigarette in der einen und einen Drink in der anderen Hand. Er legt sich Jasmine über die Schulter, spürt ihren Atem an seinem Hals, nimmt ihre Hand und schlurft in einem altmodischen langsamen Tanz durch das Chaos am Boden. Bei all der Erschöpfung und dem Rotwein hat er plötzlich das Bedürfnis, mit Emma zu reden, ihr zu erzählen, welche Musik er hört, und wie aufs Stichwort klingelt das Telefon, als der Song zu Ende geht. Er kramt in den verstreuten Spielsachen und Büchern; vielleicht ruft Emma ihn ja zurück. Auf dem Display steht »Sylvie«, und er flucht; er muss abnehmen. Nüchtern, nüchtern, nüchtern, denkt er. Er lehnt sich an das Kinderbett, setzt sich Jasmine auf den Schoß und nimmt ab.
    »Hallo, Sylvie!«
    Im selben Moment dröhnt plötzlich Public Enemys Fight the Power aus dem CD-Spieler, und er beeilt sich, auf die plumpen Knöpfe zu drücken.
    »Was war das?«
    »Bloß etwas Musik. Jasmine und ich feiern eine kleine Party, nicht, Jas? Ich meine, Jasmine.«
    »Sie ist immer noch wach ?«
    »Leider ja.«
    Sylvie seufzt. »Was hast du getrieben?«
    Ich habe geraucht, mich betrunken, unser Baby mit Drogen vollgepumpt, meine Ex angerufen, das Haus verwüstet, rumgetanzt und mit mir selbst gequatscht. Ich bin umgekippt wie ein Straßensäufer.
    »Och, bloß rumgehangen und ferngesehen. Und du? Amüsierst du dich?«
    »Es geht. Natürlich sind mittlerweile alle sturzbetrunken …«
    »Außer dir.«
    »Ich bin zu erschöpft, um mich zu betrinken.«
    »Es ist sehr ruhig. Wo bist du?«
    »In meinem Hotelzimmer. Ich mache nur ein Nickerchen und gehe anschließend wieder runter.« Während sie erzählt, sieht Dexter sich in Jasmines verwüstetem Zimmer um – die milchbesudelten Laken, die verstreuten Spielsachen und Bücher, die leere Weinflasche und das fleckige Glas.
    »Wie gehts Jasmine?«
    »Sie lächelt, nicht wahr, mein Schatz? Mummy ist am Apparat.« Pflichtschuldigst hält er Jasmine das Handy ans Ohr, aber sie gibt keinen Mucks von sich. Da niemand etwas davon hat, nimmt er das Handy wieder an sich. »Ich bins noch mal.«
    »Kommst du klar?«
    »Natürlich. Hast du daran gezweifelt?« Sie schwieg. »Du solltest zu der Party zurückgehen.«
    »Vielleicht. Bis morgen also. Gegen Mittag. Ich bin so gegen, keine Ahnung, elf zurück.«
    »Fein. Dann gute Nacht.«
    »Gute Nacht, Dexter.«
    »Ich liebe dich«, sagt er.
    »Ich dich auch.«
    Sie will schon auflegen, aber er muss ihr unbedingt noch etwas sagen. »Und Sylvie? Sylvie? Bist du noch dran?«
    Sie hält sich das Handy wieder ans Ohr. »Hm?«
    Er schluckt und leckt sich über die Lippen. »Ich wollte dir nur sagen … Ich wollte dir nur sagen, ich weiß, ich bin nicht sehr gut darin, in dieser ganzen Vater-und Ehemann-Sache. Aber ich arbeite daran, ich tu mein Bestes. Ich werde besser, Sylvie. Versprochen.«
    Anscheinend muss sie das erst verdauen, denn sie schweigt kurz, bevor sie mit leicht angespannter Stimme sagt: »Dex, du machst dich gut. Wir … müssen da einfach erst reinwachsen, das ist alles.«
    Er seufzt. Irgendwie hatte er sich mehr erhofft. »Du solltest besser zur Party zurückgehen.«
    »Dann bis morgen.«
    »Ich liebe dich.«
    »Ich dich auch.«
    Sie legt auf.
    Das Haus ist sehr ruhig. Eine geschlagene Minute sitzt er mit seiner schlafenden Tochter auf dem Schoß da und hört das Blut und den Wein in seinen Ohren rauschen. Er verspürt einen kurzen Anflug von Angst und Einsamkeit, schüttelt ihn aber ab, steht auf, hält sich seine schlafende Tochter vors Gesicht, deren Arme und Beine jetzt schlaff herabhängen wie bei einem Kätzchen. Er atmet ihren Geruch ein: milchig, fast süß, sein eigen Fleisch und Blut. Fleisch und Blut. Der Ausdruck ist zwar abgedroschen, aber es gibt flüchtige Momente, wo er sich selbst in ihren Zügen wiedererkennt, sich dessen bewusst ist, es aber nicht recht glauben kann. Im Guten wie im Schlechten, sie ist ein Teil von mir. Behutsam legt er sie in das Kinderbett.
    Er tritt auf das steinharte Plastikschwein, das sich ihm schmerzhaft in die Fußsohle bohrt, und leise fluchend macht er das Licht aus.
    In einem Hotelzimmer in Westminster, fünfzehn Kilometer in östlicher Richtung die Themse entlang, sitzt seine Frau mit dem Handy in der schlaffen Hand nackt auf der Bettkante und fängt leise an zu weinen. Aus dem Badezimmer hört man das Rauschen der Dusche. Sylvie mag nicht,

Weitere Kostenlose Bücher